Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
selbst.
Sie geht in dem Raum auf und ab und murmelt zornig vor sich hin. Sind es Zaubersprüche, ruft sie Merra ben Harith an, den König der djenoun , oder Demouch, den Herrn der afrits , damit sie mich zur Hölle schleifen? Ich frage mich, wie schnell ich die Treppe hochlaufen und mich durch die Öffnung in den Salon schwingen kann, wie weit ich kommen würde, bevor die Wachen mich fassen. Ich mache einen Schritt zurück und mustere verstohlen die Treppe, allerdings nicht verstohlen genug.
Zidana sieht mich an. »Was ist los mit dir? Die Gefahr gilt mir. Ich habe viele Feinde, die liebend gern eine solche Liste in die Hände bekommen und mich der Zauberei bezichtigen würden.«
»Ihr seid doch ohnehin als Hexe Zidana bekannt«, erinnere ich sie.
»Es gibt einen großen Unterschied zwischen Verdacht und Beweis.«
»Es war meine Handschrift«, sage ich, doch sie verzieht nur den Mund und mustert mich verächtlich. »Was würde einer wie du mit solchen Substanzen anfangen? Niemand würde dir glauben, dass sie für deinen eigenen Gebrauch bestimmt waren.« Ihr Blick durchbohrt mich. »Warum machst du also so ein langes Gesicht?«
Zögernd erzähle ich von dem Schaden an dem persischen Koran, dass der koptische Buchhändler am Sabbat seine Bezahlung erwartet und Ismail mich bestimmt einen Kopf kürzer macht, weil ich diesen unbezahlbaren Schatz ruiniert habe.
»Und wo ist es jetzt, dieses heilige Buch?«
»In meinem Zimmer, eingewickelt in den blutbefleckten Burnus, den mir der Sultan geschenkt hat.«
Sie schnalzt mit der Zunge. »Ach, Nus-Nus! Siehst du, in welche Schwierigkeiten man geraten kann, wenn man zwei Herren dient? Denn so ist es, verstehst du: Deine Loyalität ist gespalten, und deshalb kannst du nicht klar denken. Du hättest zweimal zum souq gehen sollen, um die beiden Dinge zu erledigen. Heilige Texte und Schwarze Magie passen nicht gut zusammen.«
Obwohl sie zum Islam übergetreten ist, einen muselmanischen Namen trägt und an der Zeremonie teilgenommen hat, die sie zu Ismails Ehefrau vor Gott macht, folgt Zidana noch immer ihrem eigenen Glauben, der uralten Religion, die aus dem dunklen Herzen des Dschungels stammt. Wenn sie betet, dann zu Thagba und seinen Günstlingen statt zu Allah, dem Allerbarmer. Mit ihrer Zauberei kann sie die afrits und djenoun der mohammedanischen Welt aufrufen, ihr eigenes Chaos anzurichten, aber auch die thila beschwören, die Kinder des Waldes, jene anarchischen Wesen, die nur Thagba gehorchen. Ja, sie hat silberne Amulette mit Versen aus dem Koran an ihren Kleidern befestigt, doch auf der bloßen Haut trägt sie Fetische, die aus Gott weiß welchen Gräueln gemacht sind.
Immer noch geht sie auf und ab und murmelt vor sich hin, und erneut habe ich das Gefühl, jemandem zuzuhören, den ich nicht sehen kann. Mir sträuben sich die Nackenhaare. Am Ende wendet sie sich mir zu. »Ich habe einen Plan. Ich werde dir eine Sklavin schicken, der du den Burnus und das Buch übergibst. Ich sorge dafür, dass beides in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt wird. Und dann wirst du mir einen Dienst erweisen.«
Am Abend begleite ich den Sultan zum Nachtgebet in die Moschee, koste sein Essen vor und probiere kaum von meinem eigenen. Anschließend sitze ich unter Zidanas wachsamem Auge mit ihm, einem Dutzend seiner geliebten Katzen und etwa zwanzig seiner Frauen zusammen, alle mit Musikinstrumenten und Furcht einflößenden Mengen von Khol bewaffnet. Schließlich trifft er seine Wahl für die Nacht und am Ende werden diejenigen von uns, für die er keine weitere Verwendung hat, mit einer Handbewegung entlassen.
Dankbar ziehe ich mich in die Einsamkeit meines Zimmers zurück, um den notwendigen Eintrag im Diwanbuch zu machen:
Erste Woche, fünfter Tag, Rabi’ al-awwal
Aziza, Sklavin aus Guinea, goldener Schneidezahn, langer Hals. Jungfrau.
Ich sitze da und starre düster auf diese knappe Notiz, ehe ich das Buch seufzend schließe und weglege. Erst jetzt komme ich auf den Gedanken, die Truhe zu öffnen. Da, wo der Burnus und der heilige Koran lagen, herrscht gähnende Leere. Irgendwie ist es Zidana gelungen, sie zu entfernen, genauso wie es ihre Idee war, dass in dieser Nacht die kleine Aziza entjungfert wird. Aziza ist keine Bedrohung, während Fatima, Schwester des hajib , vom Sultan ferngehalten werden muss. Abdelaziz hat schon lange Pläne bezüglich der Nachfolge. Seine Abstammung ist vornehm, obgleich die Familie bis zu seinem eigenen Aufstieg mittellos war.
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