Die Smaragreihe 02 - Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
Soldaten und Unteroffiziere standen die ganze Nacht über in Reih und Glied und stierten in das Dunkel. Urfin wälzte sich unruhig auf seinem Lager. Am Morgen stand er völlig erschöpft auf. Er hatte schlimme Vorahnungen, doch ein Zurück gab es nicht.
Die Schlacht fand auf einem großen Feld des SmaragdenLandes statt. In der Ferne erblickte Urfin einen violetten Streifen, der immer größer und breiter wurde: Es war das Heer der Zwinkerer. An der Spitze hinkte der Riese Holzfuß, gefolgt von dem Mädchen, dem Scheuch, dem Eisernen Holzf älter, dem schwarzen Hündchen und dem Löwen, der sich mit dem Schweif grimmig die Flanken peitschte. An der Seite der Zwinkerer schritten der Langbart Din Gior und der Hüter des Tores.
Urfin erbleichte. Er wünschte jetzt, daß alles, was sich seit der Nacht zugetragen hatte, als der Sturm die Saat des unbekannten Unkrauts in seinen Garten geweht hatte, nur ein böser Traum wäre. Er hätte jetzt viel darum gegeben, in seinem friedlichen Häuschen aufzuwachen, von dessen Schwelle aus man die herrlichen schneebedeckten Gipfel sehen konnte . . .
„General! Gebt den Rückzugsbefehl!" schrie Urfin. „Wir werden uns in der Smaragdenstadt einschließen, mit unseren Kräften können wir einer langen Belagerung standhalten!"
„Kehrtmachen!" kommandierte Lan Pirot, und die Unteroffiziere wiederholten den Befehl. Die Holzarmee machte kehrt. Aber was war das? Urfin begann an allen Gliedern zu zittern: Hinter den grünen Häuschen traten, von Gras und Strauchwerk kaum zu unterscheiden, die aufständischen Einwohner des Smaragdenlandes hervor.
Städter und Farmer, mit Spaten, Heugabeln, Sensen, Zaunlatten und -pflöcken bewaffnet, überschwemmten das Feld. Urfins Armee war der Rückzug abgeschnitten.
Die erste Reihe der Zwinkerer trat auseinander, und eine riesige Kanone wurde aufgefahren, die die tüchtigen Waffenschmiede Lestars aus einem dicken Baumstamm gefertigt hatten.
Die Holzköpfe erstarrten. General Lan Pirot sperrte den Mund auf, brachte aber kein Wort hervor.
Ein Zittern ging durch die Kanone, das immer stärker wurde, es folgte ein Schuß, das Rohr spie eine Rauchwolke aus, und auf die Köpfe der Holzsoldaten gingen brennende Fetzen, Stroh und Kehricht nieder.
Lestars Waffenschmiede warfen sich schreiend zu Boden. Das Pulver, das nach Charlies Rezept hergestellt worden war, erwies sich als zu stark für die Kanone, die gleich nach dem ersten Schuß auseinanderbarst. Aber dieser eine Schuß genügte, um Urfins Heer in heillose Verwirrung zu bringen. Entsetzt stoben die Soldaten auseinander. Schneller als alle anderen lief der General, der sich mit beiden Händen den polierten Kopf bedeckte, denn jetzt wußte er, was Feuer ist.
Die Zwinkerer nutzten die Panik des Gegners aus und stürzten den Holzköpfen nach, die ihre Waffen fortwarfen. Die gefangenen Soldaten Urfins wurden an Armen und Beinen gefesselt und zu einem Stapel geschichtet.
Urfin wollte sich durch Flucht retten.
„Meister Petz, schnell zurück in die Smaragdenstadt!" schrie er seinem Getreuen zu. Aber in diesem Augenblick schwirrte Charlies Lasso durch die Luft und legte sich um die Brust des ehemaligen Herrschers.
Urfin stürzte zu Boden, und Meister Petz, dessen Kriegsrausch sich verflüchtigte, erhob sich auf die Hinterbeine und wartete demütig, daß die Zwinkerer ihn gefangennahmen. Charlie trat an Urfin heran und sprach:
„Freundchen! Du hättest ja so viel Gutes mit deinem Pulver tun können!"
Urfin funkelte ihn aber nur böse an und sagte kein Wort.
Die Zwinkerer und die Bewohner des Smaragdenlandes aber umarmten sich, beglückwünschten einander zu dem Sieg, tanzten und sangen frohe Lieder.
Als die Bürger und Farmer des Scheuchs ansichtig wurden, stürzten sie auf ihn zu und hoben ihn auf die Schultern. Jubel durchbrauste die Luft:
„Es lebe der Weise Scheuch, unser Herrscher! Hoch der Herrscher der Smaragdenstadt!" Der Weise Scheuch, dessen Hände den Stock fest umklammert hielten, verbeugte sich stolz nach allen Seiten.
Er trug ein neues Kleid, und auf seinem Kopf saß ein breitkrempiger Hut mit goldenen Schellen, den die Zwinkerer eigens für ihn gemacht hatten. Jetzt strahlte der Herrscher der Srnaragdenstadt in seiner ganzen Pracht.
Ebenso stürmisch wie der Scheuch wurde auch der Eiserne Holzfäller geehrt. Man wußte, daß er ohne Zaudern seinem Freund zu Hilfe geeilt und mit ihm dann alle Qualen der Gefangenschaft geteilt, daß er sich heldenmütig mit Enkin Fleds Soldaten
Weitere Kostenlose Bücher