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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gesenkter Stimme hinzu, »aber sie befürchten das Schlimmste von uns. Es ist eine schwierige Lage. Deswegen halte ich es für gut, wenn wir die Männer nur jeweils zu zehnt in die Stadt kommen lassen, um unseren Sieg zu feiern. Sie haben es verdient, aber so schlafen die Tusci ruhiger. Zehn jetzt, zehn morgen früh, und so weiter.«
    Remus krauste die Stirn, dann nickte er, und Romulus löste sich von ihm, um Scaurus und Lucius zu begrüßen, die sich ähnlich freudig erregt wie Remus gaben. Während er ihren bewundernden Worten lauschte, richtete er den Großteil seiner Aufmerksamkeit auf die drei Hohepriester hinter sich. Er war gespannt, ob sie Anstalten machen würden, von sich aus Ilian zu begrüßen. Soweit er hören konnte, geschah nichts dergleichen. Es kam wohl nur zu einem Blickwechsel. Nein, auch das nicht. Mit jeder Faser seines Wesens war er sich gewiß, daß Ilian ihn ansah.
    Endlich hielt er das Hinauszögern nicht länger aus, wandte sich ihr zu und begegnete ihren Augen. Es war, als fiele er in eine Höhle durch die Zeit zurück, bis zu dem Moment, als er Amulius getötet hatte, nein, weiter, bis zu dem Moment, als sie mit ihm zum ersten Mal über Haß sprach, und diesmal wußte er, daß auch sein Blick die Macht hatte, in ihr Innerstes zu dringen.
    »Willkommen, Larentia«, sagte er, reichte ihr seinen Arm und fragte: »Gehen wir?«
    Als sie wortlos ihren Arm auf den seinen legte, geschah etwas Eigenartiges, mit dem er nicht gerechnet hatte. Sein Bruder, der gerade noch damit beschäftigt gewesen war, Scaurus Anweisungen für die Männer zu geben, unterbrach sich mitten im Wort, trat zu ihnen und sagte: »Gehen? Aber wollen wir denn nicht gemeinsam in den Palast einziehen?«
    Romulus war zu sehr mit jeder Schattierung von Eifersucht vertraut, um sie nicht zu erkennen, wenn er ihr begegnete. Ihr allerdings hier zu begegnen war neu, ein unerwartetes und schwindlig machendes Geschenk.
    »Natürlich werden wir gemeinsam gehen«, erwiderte er. »Schließlich möchte ich, daß die Stadtbewohner den Bruder des Siegers kennenlernen.«
    Die Art, wie Remus unwillkürlich die Lippen zusammenkniff, ehe sein Gesicht sich wieder aufhellte, bewies, daß er sich nicht getäuscht hatte. Remus war eifersüchtig, auch wenn sein Zwilling es vermutlich nicht wahrhaben wollte. Remus beneidete ihn. Es war ein angenehmes Gefühl, wie das Löschen des Durstes, den ein jahrelanger Marsch durch die Ödnis hinterlassen hatte. Gleichzeitig war er sich des bitteren Beigeschmacks in seinem Mund bewußt. Remus, das Glückskind, hatte keine Ahnung, auf was genau er da eifersüchtig war. Doch er würde es lernen.
    Während er mit seiner Mutter und seinem Bruder auf dem Weg zurückkehrte, den er gekommen war, wieder die schweigenden Priester hinter sich, stellte er fest, daß die aufgeschreckten Hasen diesmal eher gurrenden Tauben glichen, die die Köpfe zusammensteckten. Es kam ihm in den Sinn, wie sehr sie einer Opferprozession ähnelten.
    »Sie müßten doch wissen, daß ihr Opfer schon gebracht worden ist«, sagte er laut und war nicht weiter überrascht, als Ilian zurückfragte: »Ist es das?«
    Er verstärkte den Druck seiner Finger um ihr Handgelenk. »Das werden wir herausfinden, nicht wahr?«
    »Was soll das Gerede von Opfern?« unterbrach Remus. »Der Thronräuber hat bekommen, was er verdiente. Ich wünschte nur, ich hätte ihn mit dir erledigen können.«
    »Sei dir da nicht so sicher.«
    »Wie meinst du das?« fragte Remus, mittlerweile deutlich verärgert.
    »Ich erkläre es dir ein andermal.«
    Remus holte tief Luft und machte den Eindruck, eine ganze Menge von sich geben zu wollen, doch Ilian kam ihm zuvor.
    »Remus, wir haben alle unsere Aufgaben. Heute vor allen anderen Tagen sollte es keinen Streit darum geben.«
    Die feine, aber deutliche Zurechtweisung wirkte. Remus schwieg beschämt wie ein kleiner Junge. Auch er, dachte Romulus, auch er hat ihr Macht über sich gegeben . Es war nur ein zusätzlicher Anreiz, um seine Erwartung auf das zu steigern, was ihm bald bevorstand. Sie machtlos zu erleben. Völlig machtlos.
    Das Äußere des Palastes schien Remus nicht sehr zu beeindrucken; dafür starrte er um so länger auf die blutige Stelle auf dem Platz davor, bis er bemerkte, daß an einer anderen Stelle, näher zum Tempel hin, ein Holzstoß aufgeschichtet wurde.
    »Ist das...«
    »Ja. Er wird heute nacht noch verbrannt werden. Man sagte mir, seine Grabstätte stehe schon seit Jahren bereit.«
    »Wer wird die Riten

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