Die Söhne der Wölfin
fernzuhalten.«
Sie kniete nicht neben ihrer, sondern neben seiner Liege nieder und ergriff seine Hand, die linke, deren kleinen Finger sie gebrochen hatte.
»Er hat verstanden, warum du ihn töten mußtest«, sagte sie ernst.
»Nachher«, erwiderte Romulus mit zusammengebissenen Zähnen. »Wir sprechen nachher darüber. Erst wirst du tun, worum ich dich gebeten habe. Das - schuldest - du - mir.«
Trotz seines Vertrauens darauf, sie inzwischen einschätzen zu können, erstaunte es ihn immer noch ein wenig, wenn es ihm tatsächlich gelang. Sie stand auf, kehrte zu der Liege zurück, die er für sie hatte bereitstellen lassen, und entledigte sich mit einer fließenden Selbstverständlichkeit, die er bewunderte, ihres Priesterinnengewandes. Er achtete darauf, ob ihr die Hände zitterten oder ob sich ein Zögern einschlich, doch vergeblich. Der Anblick ihres nackten Körpers dagegen, der sich ihm kurz bot, ehe sie in das grüne Kleid schlüpfte und begann, die Fibeln über den Schultern zu befestigen, war ihm nicht neu. Er hatte sie bereits öfter so gesehen, in den Monaten, in denen sie mit Faustulus in einem Bett geschlafen und in denen sie vorgegeben hatte, zu ihnen allen zurückgekehrt zu sein. Er stellte lediglich fest, daß sie sich diesbezüglich in keiner Weise verändert hatte, und war es zufrieden.
Das Kleid hatte Halbärmel, die durch mehrere bronzene Fibeln und mit Golddraht durchsetzten Schnüre zusammengehalten wurden, sowie einen handbreiten Gürtel aus purpurbesetztem Leder. Es hatte eine Zeit gegeben, in der Romulus noch nicht einmal gewußt hatte, was Purpur war, geschweige denn, daß es zu den kostbarsten Dingen gehörte, mit denen gehandelt wurde, so kostbar, daß es nur Könige ihr eigen nennen konnten. Während er Ilian betrachtete, beschloß er, nie wieder einer anderen Frau zu gestatten, in seiner Gegenwart Purpur zu tragen, ganz gleich, in welcher Form.
»Gut«, sagte er. »Und nun der Schmuck. Warte«, fügte er hinzu, als sie die Hände hob, »ich werde dir dabei helfen.«
Er stand auf, setzte sich neben sie und legte sie ihr um, die Kette mit dem Opal in der Mitte und den zwei Perlen an beiden Seiten, die ihm beim ersten Anblick als zu schlicht erschienen war. Allerdings mußte er zugeben, daß die schillernde Farbe des Opals gut zu dem Grün des Kleides paßte. Ihren freien Nacken vor sich zu sehen, als er ihr die Kette umlegte, berührte ihn mehr, als es die kurze Blöße von vorhin getan hatte. Er konnte es sich nicht versagen, ihn mit seiner Hand, jener Hand, die heute ihr Opfer gebracht hatte, zu berühren. Sie lehnte sich ein wenig gegen ihn, doch sie sagte und tat nichts weiter.
Als nächstes nahm er die Ohrringe aus Silber, kleine Spiralen, an denen gehämmerte Blätter hingen, und setzte sie ihr ein. Sie trug ihr Haar hochgesteckt, wie es sich für eine Priesterin ziemte, und so hatte er keine Schwierigkeiten damit. Es war seltsam, erst jetzt fiel ihm auf, daß sie ihm und Remus die kleinen Ohren vererbt haben mußte. Sowohl Faustulus als auch der Mann, der heute gestorben war, hatten große Ohren gehabt.
Zum Schluß nahm er die Armreifen, auch sie spiralenförmig, ergriff ihre Hände und streifte sie ihr über, erst auf dem linken Arm, dann auf dem rechten. Sie waren ihr etwas zu breit, um auf dem Unterarm zu bleiben, und er streifte sie bis auf den Oberarm zurück. All das geschah wortlos; er war sich nicht sicher, sprechen zu können, bis er sein Werk vollendet hatte. Als er die Nadeln aus ihrem Haar zog, um es zu lösen, so wie es Königinnen trugen, hörte er ihren Atem, hörte seinen Atem und wußte, daß er endlich gewinnen würde. Es verlieh ihm die Macht, zu seinem gewohnten selbstsicheren Ton zurückzufinden.
»Steh auf.«
Eine ihrer Augenbrauen kletterte in die Höhe, doch sie tat, was er verlangte, machte ein paar Schritte und drehte sich einmal um sich selbst. Dann winkelte sie die Arme an und sank mit nach oben gewölbten Handflächen in der traditionellen Haltung der Bittsteller auf die Knie.
»Heil dir, Romulus«, sagte sie, und er wußte nicht, ob Spott oder Zuneigung aus ihren Worten sprach.
Er erhob sich ebenfalls und ging um sie herum. Es paßte alles; so hatte er sie sich vorstellt, in seinen Träumen, die ihn quälten, aufwühlten und entzückten.
»Vollkommen«, sagte er laut, um ihr diesen Tribut zu zollen. »Und nun verrate mir, meine Göttin, Herrin meines Schicksals, die du mich geformt hast, um dein rächendes Schwert zu sein - wie lautet dein
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