Die Söldner von Dorsai (Dorsai 1)
belagern.“
Reyes runzelte die Stirn. Er hatte den Eindruck, daß dieser Dorsai-Marschall viel zu schwarz sah.
„Haben Sie gegen die Belagerung etwas einzuwenden?“ wollte Reyes wissen. „Wenn ja, dann dürfte ich vielleicht erwähnen, daß die Regierung von Breatha es als die optimale – und einzige Konstellation – ansah, Lu May irgendwo festzunageln.“
„Ich habe keine Einwände – zumindest im Augenblick nicht“, erwiderte Cletus gelassen. „Aber nur, weil es dafür militärische Gründe gibt, ein Umstand, der mit der Meinung Ihrer Regierung nichts zu tun hat. Ich darf Sie daran erinnern, Kanzler, daß eine meiner Bedingungen hinsichtlich des Vertrages mit Breatha wie bei jedem anderen Vertrag, den ich unterzeichne, dahingehend lautet, daß ich allein die Kampagne leite und kein anderer.“
Er wandte sich ab und setzte sich hinter den Tisch seines Zeltes, wo die Unterhaltung geführt wurde. „Wenn Sie mich nun entschuldigen wollen – ich habe zu tun.“
Reyes zögerte einen Augenblick, dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging hinaus.
Cletus ließ die Stadt noch drei Wochen belagern, ließ Brustwehren errichten und Gräben ausheben, um die Stadt fest in den Griff zu bekommen, als hätte er vor, für immer dort zu bleiben. Während all dieser Zeit kam es außer einigen kleinen Scharmützeln zwischen den Verteidigern und den Dorsai zu keinem offenen Konflikt.
In der Luft herrschte in dieser Zeit ebenfalls eine Art stillschweigender Waffenstillstand. Die Luftfahrzeuge der Dorsai patroullierten über der Stadt, um zu verhindern, daß stadteigene Fluggeräte starten oder landen konnten. Darüber hinaus gab es aber keine Luftkämpfe. Wie bei den meisten interkolonialen Konflikten wurde der Luftkrieg nach Möglichkeit vermieden, und zwar aufgrund eines ähnlichen stillschweigenden Übereinkommens wie im Zweiten Weltkrieg im zwanzigsten Jahrhundert auf der Erde, demzufolge kein Giftgas zum Einsatz kam. Ziel und Zweck der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen technologiearmen Kolonien, wie etwa den jungen Kolonien im Weltraum, war es nicht unbedingt, die produktive Kapazität des Feindes zu zerstören, sondern ihm diese abzunehmen. Kein Angreifer wollte jene Anlagen zerstören, derentwegen er einen Krieg angezettelt hatte. Waren die Produktionsstätten und sonstigen Geräte der Zivilisation von Wert, so waren die Leute, die diese Anlagen bedienen konnten, ebenso wertvoll.
Also wurde versucht, Bombardements, ja selbst den Einsatz schwerer Waffen in der Umgebung bebauter Gebiete zu vermeiden, und da atmosphärische Fluggeräte ähnlich teuer waren wie Raumschiffe, wurde der Himmel nur zu Aufklärungs- und Transportzwecken benutzt.
Als die drei Wochen verstrichen waren, schien Cletus die Geduld verloren und diese Pattsituation satt bekommen zu haben, denn er erließ einige Befehle, die Kanzler Ad Reyes veranlaßten, mit fliegenden Rockschößen in Cletus’ Hauptquartier zu erscheinen, so daß er um ein Haar über seine lange Robe gestolpert wäre.
„Sie ziehen die Hälfte Ihrer Streitkräfte ab und schicken sie aus, um Armoy-Stadt und den Raumhafen zu erobern!“ rief Reyres anklagend, während er in Cletus’ Büro stürmte.
Cletus schaute von seinem Tisch auf, an dem er arbeitete. „Haben Sie es auch schon vernommen?“ fragte er.
„Was heißt hier vernommen!“ Reyes drang bis zum Schreibtisch vor und lehnte sich darüber, als wollte er seine Nase in Cletus’ Gesicht stecken. „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen! All diese Zivillaster, die Sie für den Transport Ihres zweiten Kommandos angefordert haben, sind Richtung Armoy abgebraust! Sagen Sie mir ja nicht, daß die woanders hingegangen sind!“
„Das will ich gar nicht leugnen“, meinte Cletus zuvorkommend. „Der schäbige Rest wird ihnen innerhalb von vierundzwanzig Stunden folgen. Wir haben keinen Grund mehr, diese Belagerung noch weiter fortzuführen. Ich bin drauf und dran, die Belagerung aufzuheben, nach Armoy-Stadt zu marschieren und den Raumhafen zu besetzen.“
„Die Belagerung aufheben? Was ist das wieder für ein Trick? Wenn die Stadtstaaten Sie dafür bezahlt haben, uns zu verraten, so hätten Sie sich keinen günstigeren Zeitpunkt aussuchen können …“ Er brach plötzlich ab, wie erschrocken vom Klang seiner eigenen Worte, die sein Ohr erreichten. Cletus richtete sich hinter dem Schreibtisch auf.
„Ich hoffe, ich habe mich verhört, Kanzler“, sagte Cletus mit verändertem Blick und veränderter Stimme.
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