Die Söldner von Dorsai (Dorsai 1)
„Wollen Sie die Dorsai beschuldigen, einen Vertrag mit Ihrer Regierung mißachtet zu haben?“
„Nein … das heißt, ich meinte nur …“ stammelte Reyes.
„Ich würde Ihnen raten, mit Ihrer Meinung vorsichtig zu sein“, meinte Cletus. „Die Dorsai brechen keinen Vertrag, und wir werden nicht dulden, daß so etwas behauptet wird. Erlauben Sie mir jetzt, Sie zum letzten Mal daran zu erinnern, daß ich, und nur ich allein, diese Kampagne befehlige. Vielleicht wäre es besser, wenn Sie jetzt in Ihr eigenes Quartier zurückkehren würden.“
„Ja, ich …“ stotterte Reyes.
Am nächsten Morgen, kurz vor Tagesanbruch, bestieg der Rest der Dorsai, die Spanierstadt belagerten, die Militärfahrzeuge und zog mit allen Waffen und Geräten davon. Nur die Luftfahrzeuge der Dorsai blieben im Luftraum von Spanierstadt zurück, um eine Verfolgung durch Aufklärungsflugzeuge zu unterbinden.
Der Morgen dämmerte über den verlassenen Schanzen auf, die die Söldner errichtet hatten, aber es war fast Mittag, bis die ersten Patrouillen aus Spanierstadt, irritiert durch die ungewöhnliche Stille, sich aus ihren Mauern wagten, um die Stellungen näher in Augenschein zu nehmen. Dann aber, sobald feststand, daß die Stellungen verlassen waren und die Spuren im Boden und im Gras südlich der Stadt die Marschroute der Dorsai verrieten, wurde General Lu May in aller Eile über die Ereignisse benachrichtigt.
Lu May, der durch diese Nachrichten aus seinem Schlummer nach einer langen Nacht gerissen wurde, fluchte in einer Art und Weise vor sich hin, die bereits vor vierzig Jahren aus der Mode gekommen war.
„Wir werden ihn kriegen!“ explodierte der alte Mann, während er seinen Körper aus dem Bett rollte und hastig in seine Kleider schlüpfte. „Er konnte es nicht abwarten – und hat sich selbst die Kehle durchgeschnitten!“
„Sir?“ fragte der Oberst, der ihm die Neuigkeit überbracht hatte. „Er hat sich selbst die Kehle durchgeschnitten? Ich verstehe nicht …“
„Das kommt davon, daß ihr keine Ahnung habt, wie ein Krieg richtig geführt wird!“ trompetete Lu May, während er in seine Beinkleider stieg. „Grahame ist nach Armoy-Stadt aufgebrochen, Idiot!“
„Jawohl, Sir“, sagte der Oberst. „Aber ich kann immer noch nicht begreifen …“
„Er mußte sich mit der Tatsache abfinden, daß für ihn keine Hoffnung besteht, diese Stadt einzunehmen!“ schnappte Lu May. „Deshalb ist er abgezogen und hat beschlossen, dafür Armoy-Stadt zu nehmen. Auf diese Weise kann er behaupten, sein Bestes getan und für die Kolonie Breatha den Raumhafen erobert zu haben, der ihnen Konkurrenz machte. Der Raumhafen, so wird er erklären, wird der Kolonie dazu verhelfen, ihren Korridor zum Meer zu schützen! Haben Sie was gemerkt? Grahame ist dahintergekommen, daß der Vertrag, den er unterzeichnet hat, gar nicht so gut war. Er möchte sich um jeden Preis aus diesem Vertrag herauswinden – das kann er aber nur, wenn er Breatha wenigstens etwas zu bieten hat, in diesem Fall nämlich Armoy-Stadt und den Raumhafen!“
„Jawohl, Sir“, sagte der Oberst ernst. „Das alles leuchtet mir ein. Was ich aber nicht begreife ist, daß Sie meinten, er habe sich ins eigene Fleisch geschnitten. Wenn er in der Lage ist, Breatha den Raumhafen und Armoy-Stadt zu offerieren …“
„Idiot! Idiot im Quadrat!“ röhrte Lu May. „Zuerst muß er aber Armoy-Stadt erobern, nicht wahr, Sie Narr?“
„Jawohl, Sir …“
„Dann muß er wohl mit seiner Schar abziehen, um Armoy-Stadt zu nehmen, nicht wahr?“
Endlich war Lu May fertig angekleidet und watschelte hastig zur Tür. Über die Schultern hinweg fuhr er fort: „Wenn wir ihm möglichst schnell folgen, werden wir ihn in Armoy-Stadt erwischen und ihn einschließen können! Er hat nicht genügend Vorräte, um sich lange in einer solchen Stadt zu halten – und wenn es sein muß, haben wir genügend Leute und Waffen, um die Stadt im Sturm zu nehmen! Auf jeden Fall können wir seine Dorsai aufreiben und ihn gefangennehmen. Dann können wir mit ihm machen, was wir wollen!“
Lu May verlor keine Zeit, um seine Armee Cletus und seinen Dorsai auf die Spur zu setzen. Doch bei aller Eile versäumte er es nicht, in guter Marschordnung auszuziehen, und vergaß auch die schweren Energiewaffen nicht, die er rund um die Stadt in Stellung gebracht hatte. Er ließ sie jetzt mitnehmen, auch wenn sie ihn bei seinen Operationen behinderten. Schwerfällig, aber tödlich zog er der Spur nach, die
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