Die Söldner von Dorsai (Dorsai 1)
befreite sich aus ihrem Griff, wand sich unter dem Panzerwagen hinaus, sprang auf die Füße und hechtete auf den Straßengraben zu, wo der Leichnam des Fahrers verborgen lag. Aus dem Urwald prasselte eine Salve, er stolperte, als er den Rand des Grabens erreichte, drehte sich um die eigene Achse und war plötzlich verschwunden. Melissa hielt die Luft an. Im Graben rührte sich etwas, dann tauchte ein Arm über dem Grabenrand auf, ragte in den Himmel, wie ein letztes, verzweifeltes Notrufzeichen.
Irgendwo im Urwald knallte ein einziger Schuß, der die halbe Hand und einen Teil des Handgelenks wegriß. Blut spritzte auf, aber die Hand wurde nicht zurückgezogen. Und fast umgehend hörte die Blutung auf, wie abgerissen, als wäre kein Herz mehr da, kein klopfendes Herz, das den Blutstrom belebte.
Melissa erschauerte beim Anblick dieses Arms, und ihr Atem ging schwer. Ihr Vater blickte nach draußen und legte für einen Augenblick die Hand auf ihre Schulter.
„Immer mit der Ruhe, mein Kind“, sagte er. Für einen Moment umklammerte er ihre Schulter, dann mußte er wieder an seine Schießscharte, weil immer wieder neue Geschosse gegen das Fahrzeug prallten. „Es kann nicht mehr lange dauern, bis sie uns überwältigt haben“, murmelte er.
Mondar, der im Dämmerlicht dasaß, die Beine gekreuzt und wie durch Meditation entrückt, streckte die Hand aus und ergriff die Hand des Mädchens. Ihr Blick haftete immer noch an dem Arm, der über den Grabenrand baumelte, doch ihre Hand umklammerte Mondars Hand mit eisernem Griff. Sie sagte kein Wort, aber ihr Gesicht war so weiß und so starr wie eine Maske.
Plötzlich hörte das Feuer aus dem Urwald auf. Mondar drehte sich um und schaute Eachan an.
Der Dorsai blickte über seine Schulter zurück, und ihre Blicke trafen sich.
„Es geht nur noch um Sekunden“, meinte Eachan trocken. „Sie sind ein Narr, wenn Sie zulassen, daß man Sie lebendig zu fassen kriegt.“
„Wenn es weiter nichts ist – ich bin stets bereit zu sterben“, erwiderte Mondar heiter. „Kein Mensch außer mir kann über diesen Leib verfügen.“
Eachan feuerte eine neue Salve ab.
„Der Bus“, meinte Mondar ruhig, „müßte schon nahe genug herangefahren sein, um den Fahrer die Schüsse hören und Alarm schlagen zu lassen.“
„Zweifellos“, meinte der Dorsai. „Aber es wäre höchste Zeit, daß wir Hilfe bekommen, wenn es noch etwas nützen soll. Es kann, wie gesagt, jede Minute losgehen. Und mit einer einzigen Pistole … da kommen sie schon!“
Durch die Öffnung, über die Schultern des Offiziers hinweg, konnte Mondar die Gestalten in ihren Tarnanzügen erblicken, die in zwei Wellen plötzlich auf beiden Seiten der Straße aus dem Urwald hervorbrachen und auf das Fahrzeug zuliefen. Das Mündungsfeuer des kleinen Pfeilwerfers in Eachans Hand blitzte immer wieder auf, wie ein magisches Licht. Im allgemeinen Trubel konnte man den Knall nicht hören, dafür aber fielen die Angreifer reihenweise um.
Doch die Angreifer hatten nur einen Abstand von etwa fünfzehn Meter zu überbrücken. Dann waren der Urwald und der kleine Lichtfleck, den Mondar sehen konnte, von Tarnanzügen verdeckt.
Die Waffe in Eachans Hand versagte, weil ihm die Munition ausgegangen war – doch in demselben Augenblick, als die Gestalt des ersten Guerillas die Öffnung verdunkelte, durch die Cletus hinausgeklettert war, bellte im Rücken der Angreifer eine Waffe auf, und sie schwanden dahin wie Sandburgen unter einer heftigen Brandung.
Die Waffe bellte noch einmal auf und verstummte. Stille breitete sich über der Stätte aus, so wie das Wasser in eine Vertiefung zurückströmt, die ein fallender Stein in die Oberfläche eines Bergsees drückt. Eachan drückte sich an den zur Salzsäule erstarrten Gestalten von Melissa und Mondar vorbei und kletterte aus dem Fahrzeug. Die beiden folgten ihm benommen.
Hinkend, auf sein künstliches Kniegelenk gestützt kletterte Cletus aus dem Graben, das Vario-Gewehr des toten Fahrers hinter sich herschleifend. Er hatte gerade die Straße erreicht und sich aufgerichtet, als Eachan vor ihm auftauchte.
„Ausgezeichnet“, sagte der Dorsai mit einem Anflug von Wärme in seiner sonst so kühlen Stimme. „Vielen Dank, Oberst.“
„Keine Ursache, Oberst“, erwiderte Cletus etwas wacklig. Jetzt, da die Spannung gewichen war, begann sein noch heiles Knie unter der Reaktion im Hosenbein seiner Uniform zu zittern.
„Wirklich ausgezeichnet“, sagte Mondar so ruhig wie immer, während
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