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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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Harry. »Finde sie. Mitsamt dem Vertriebenen. Marsch!«
    Jim durchquerte die vereinzelten Sträucher und verstreuten Hütten am äußeren Rand des Camps. Er blieb stehen, um sich zu orientieren, und ging dann tiefer ins Lager auf die Landebahn zu. Er hoffte, man würde ihn für einen Entwicklungshelfer halten, sollte ihn jemand im Dunkeln sehen. Er hielt die AK eng am Körper und klopfte immer wieder gegen die Hose, damit die Beulen seiner Glock und der Magazine nicht so deutlich zu sehen waren. Die anderen Waffen hatte er zurückgelassen. Die Kalaschnikow war für ihn das bei weitem beste Sturmgewehr der Welt, was hätte er sich da mit dem anderen Kram belasten sollen?
    Frauen in weiten Gewändern kochten vor ihren Hütten. Kaum dass sie den Kopf hoben, als er vorbei kam. Männer saßen herum, tranken Tee, kauten Khat. Zwanzig Minuten später konnte er die Maschine sehen. Er ging in die Hocke. Der Himmel war klar und die Sterne leuchteten die Szene überraschend gut aus, auch die Silhouette der Cessna selbst. Er arbeitete sich näher heran, versteckte sich hinter einer Hütte und spähte um die Ecke. Ein Mann mit einem Helm, wahrscheinlich der Pilot, stand gegen den Rumpf der Maschine gelehnt, sah aber nicht in seine Richtung. Hinter ihm befand sich ein großes Zelt.
    Jim drehte eine Erkundungsrunde, um die Maschine aus allen Winkeln zu sehen. Zwei Milizleute mit Kalaschnikows auf den Achseln unterhielten sich an der Flanke des Zelts. Er wusste, mit denen würde er fertig, falls es nötig sein sollte. Er hatte bei den Milizen dieser Welt kaum je einen brauchbaren Schützen gesehen.
    Jim fand einige Sträucher. Er legte sich zwischen sie, rückte die kugelsichere Weste zurecht, um es bequemer zu haben. Er hatte die Zugangsmöglichkeiten zur Cessna praktisch alle im Blick. Es war eine perfekte Stelle, von der aus sich ein Angriff starten ließ. Er stellte sich auf eine lange Wartezeit ein.
    Ein leichter Wind kam auf, der die Maschine hinter Sandwolken verschwinden ließ. Er kroch näher ran.
    Hinter ihm knirschte es.
    Er fuhr herum.

Kapitel 54
    IDP-Camp Maslah, Somalia
30. September 2003
    Jim sprintete durch die Gassen zwischen den Hütten, stolperte krachend in Lagerfeuer und stieß Kochtöpfe mitsamt der Brühe in ihnen um. Unter lautstarken Beleidigungen, wie er vermutete, stieß man ihn weg. Trotzdem rannte er weiter, hielt sich mit der rechten Hand den linken Arm. Er stolperte und schlug der Länge nach hin. Er rappelte sich wieder auf und lief weiter. Er musste einen sicheren Fleck finden, um einen Augenblick zu verschnaufen, einen Fleck, von dem aus sich zurückschlagen ließ.
    Nachdem er eine Ewigkeit, wie es schien, durch das Lager gewandert war, erreichte er wieder den Rand. Vor ihm lag die Wüste: Steine, Sand und Gestrüpp. Er kauerte nieder und checkte sich in Gedanken durch. Sein Körper schmerzte von Kopf bis Fuß. Er sah nach seinem linken Arm – er hatte einen blutenden Riss.
    Aber er war in Ordnung; die Kugel hatte ihn nur gestreift. Ganz im Gegensatz zu dem Schuss in die Brust – der hatte ihm trotz der Weste eine böse Prellung beschert.
    Er hätte sich nicht dümmer anstellen können. Sich von einem Milizmann überraschen zu lassen, machte ihn zum blutigen Amateur. Er hatte in den Jahren als Zivilist eine Menge verlernt. Wenigstens hatte er die Oberhand gewinnen können und den Milizmann erschossen, bevor der ihn tödlich traf.
    Er musste sich einen neuen Plan ausdenken, und zwar schnell. Die anderen Milizleute mussten inzwischen die Leiche ihres toten Kameraden zwischen den Sträuchern gefunden haben. Vermutlich hatte man Harry alarmiert. Im Lager wimmelte es wahrscheinlich nur so von seinen Strolchen. Vermutlich hatten sie Schießbefehl.
    Aber Jim hatte nicht die Absicht, hier zu sterben.
    Im Lager war es unnatürlich still geworden. Familien saßen eng umschlungen in ihren Hütten, Kinder hatten sich auf dem Boden eingerollt. Mütter standen in den Türen, die Kleider um sich gerafft, und starrten hinaus in die Nacht. Er schlich durch die Hüttenreihen. Kein Mensch achtete auf ihn. Einige Feuer brannten noch, aber nicht genug, um in ihrem Schein viel zu sehen. Der Wind war wieder aufgekommen und sorgte für eine Staubwolke, die die Sterne verbarg.
    Er würde die Dunkelheit zu seinem Vorteil nutzen.
    Er ging dorthin zurück, wo er hergekommen war, und erreichte die Lichter des großen Zelts. Er sah die Silhouetten von einem halben Dutzend Bewaffneter; die Wachposten um die Cessna hatten

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