Die Somalia-Doktrin (German Edition)
Somalia
30. September 2003
Die Pistole auf Jims Stirn gerichtet, drängte Harry die beiden zurück ins Zelt.
»Wo soll’s denn hingehen?«, fragte er.
»Ah, Mr. Geriff«, sagte Jim nur.
Harry stutzte. »Wie hast du mich genannt?«
»Adam Geriff. Ich weiß alles über Sie.«
»Was du nicht sagst?«
»Ich weiß alles über Ihre Drogengeschäfte in Afghanistan. Die Gesichtsoperation. Ihre linken Touren mit Universal Action.«
»Wie bist du mir denn draufgekommen, Jimmy-Boy?«
Jim spürte Maxines Griff am Arm. Er wusste nicht, ob sie wütend war oder Angst hatte. Wahrscheinlich beides. Er musste auf Zeit spielen, Harry reden lassen, auf seine Chance warten.
»Erinnern Sie sich an eine Frau namens Carrie in Afghanistan?«
»Die schnucklige kleine Journalistin? Die bei dem tragischen Unfall umgekommen ist?«
»Sie war meine Frau.«
»Was du nicht sagst.« Harry lachte. »Oh Mann. Was hat die gebettelt, bevor sie da runtergefallen ist.«
Jim stieß Maxine beiseite.
Harry sah in ihre Richtung, für den Bruchteil einer Sekunde nur, aber es genügte Jim zum Handeln. Seine Linke schoss vor und schlug Harry die Waffe aus der Hand. Noch in derselben Bewegung trat er einen Schritt auf ihn zu und stieß ihm den Ellbogen gegen das Kinn. Ein scharfes Knacken war zu hören. Harry stöhnte auf.
Mit dem rechten Arm umfasste Jim Harrys Hals und riss den Kopf auf sich zu nach unten gegen sein hochschießendes Knie. Ein weiteres Knacken war zu hören, als Harrys Nasenbein brach. Gleich darauf stieß Jim ein zweites Mal zu.
Mit einer Drehung entwand Harry sich seinem Griff und stach auf die Waffe am Boden zu. Noch bevor er sie erreicht hatte, stellte Maxine ihm ein Bein. Er stürzte und rollte sich ab. Jim bückte sich nach der Waffe. Seine Finger umschlossen den Griff. Er kam wieder hoch.
»Jim!«
Maxines Warnung kam zu spät. Jim spürte einen gewaltigen Schlag gegen den Rücken und ging in die Knie. Beide Hände gegen die Erde gestemmt, versuchte er das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ihm drehte sich der Kopf. Kleine weiße Punkte tanzten ihm vor den Augen. Ein stechender Schmerz schoss ihm das Rückgrat hinauf.
Maxine schrie auf. Jim ließ sich auf den Bauch fallen. Irgendetwas wischte genau dort über ihn hinweg, wo eben noch sein Kopf gewesen war. Er warf sich herum. Harry stand mit einer massiven Planke über ihm und schickte sich eben zum zweiten Angriff an. Er hob das Brett hoch über den Kopf und schlug nach Jim, der gerade noch zur Seite wegrollen konnte. Um ein Haar hätte er ihm den Schädel gespalten.
Harry stieß einen Fluch aus. Dann erspähte er etwas. Jim folgte seinem Blick und entdeckte die Waffe, die einige Meter weiter, gerade außer Reichweite, auf der Erde lag. Sie musste ihm aus der Hand gefallen sein, als Harry ihn im Kreuz erwischt hatte. Harry trat vor, hob die Waffe auf und wandte sich eben wieder Jim zu, als Maxine sich ihm mit einer Wucht entgegenwarf, die ihn zu Boden gehen ließ. Die Pistole landete vor ihren Füßen.
Sie hob sie auf und drückte zweimal ab.
Mit einem Aufschrei umklammerte Harry die Beine, bevor er sich am Boden zu krümmen begann. Jim kam taumelnd hoch. Er beugte sich über den Mann und stieß ihm das Gesicht in den Dreck. Er tastete ihn ab und fand ein Paar Handschellen. Die Knie in Harrys Kreuz gestemmt, riss er ihm die Hände auf den Rücken und legte ihm die Handschellen an. Maxine reichte ihm eine Taschenlampe. Er richtete den Lichtstrahl auf Harry und sah, dass beide Beine blutüberströmt waren.
»Habe ich seine Kniescheiben erwischt?«, fragte Maxine.
»Du hast mir das Leben gerettet.«
»Na, dann sind wir ja quitt.« Sie richtete die Waffe auf Harry. »Warum bringen wir ihn nicht einfach um?«
Noch bevor Jim antworten konnte, schlugen die Zeltklappen auf und vier weiße Söldner kamen herein. Sie hatten die Gewehre im Anschlag. Jim hob die Hände. Maxine ließ die Pistole fallen und tat es ihm nach. Zwei der Söldner hoben Harry an, der das Bewusstsein verloren hatte, und zerrten ihn aus dem Zelt. Die anderen beiden hielten ihre Waffen auf Jim und Maxine gerichtet. Sie verschwanden so jäh, wie sie gekommen waren. Jim und Maxine sahen einander entgeistert an.
Kapitel 56
IDP-Camp Maslah, Somalia
30. September 2003
Abdis schlimmes Bein bereitete ihm Höllenqualen. Er hatte es sich erneut verletzt, als die beiden Söldner ihn in Handschellen in das Flugzeug brachten; beim Einsteigen hatte ihn einer gestoßen und er war gestürzt. Jetzt saßen sie neben
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