Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
du bist das hellhäutigste Mädchen, das ich kenne.«
»Hm«, machte Dorie wieder. Kurz darauf atmete sie gleichmäßig und schnarchte leise vor sich hin.
»Mann, ist die aufregend«, stellte Julia fest. »Komm, Ellis! Mir ist langweilig. Gehen wir zusammen am Strand entlang?«
Ellis warf einen kurzen Blick auf die schlafende Dorie. »Können wir sie hier einfach so liegen lassen? Sie bekommt einen schlimmen Sonnenbrand.«
Julia zog ein Strandlaken aus ihrer Tasche und legte es vorsichtig über Dories reglosen Körper. »Das geht schon«, sagte sie. Sie warf sich ihre Strandtasche über die Schulter. »Komm, wir gehen zu dem Eisverkäufer an der Mole.«
Ellis zog ein Strandkleid über ihren Badeanzug und steckte etwas Geld ein. Dann überlegte sie kurz und griff nach ihrem Handy.
Julia, der nie etwas entging, verdrehte die Augen. »Das ist auch etwas, das mir außerhalb von Amerika nicht fehlt. Ihr seid so dermaßen besessen von euren Handys! Machst du auch nur einen Schritt ohne das Ding? Kannst du dich nicht mal entspannen? Zumindest, solange wir zusammen sind?«
In den vier Tagen engen Zusammenlebens mit Julia hatte Ellis wieder gelernt, die bissigen Bemerkungen ihrer Freundin nicht so ernst zu nehmen. »Was ist denn mit dir?«, gab sie zurück. »Müsst ihr Supermodels nicht ständig Kontakt zu euren Agenturen halten, um zu erfahren, ob ihr gebucht wurdet, oder wie man das nennt?«
»Ich bin alles andere als ein Supermodel«, sagte Julia. »Außerdem habe ich der Agentur gesagt, dass ich einen Monat Pause einlege.« Sie ging schneller und war mit ihren langen Beinen Ellis bald einige Meter voraus.
»Warte!«, rief Ellis und verfiel in einen Laufschritt, um ihre Freundin wieder einzuholen. »Ich dachte, zu dieser Zeit ist immer besonders viel los.«
»Das ändert sich«, entgegnete Julia. »Und ich bin ja im Urlaub.«
Ellis folgte Julia zum Holzsteg.
»Ich finde eigentlich, ich bin schon relativ entspannt«, meinte Ellis. »Was die Sorgen angeht – na ja, daran kann ich nichts ändern. Ich bin vierunddreißig. Seit ich vierzehn Jahre bin, hatte ich immer irgendwas zu tun. Seit mein Vater mir mit siebzehn die erste Stelle bei der Savannah Bank besorgt hat, habe ich bei der Bank gearbeitet. Aber jetzt, na ja, jetzt weiß ich einfach nicht, wie es weitergeht.«
»Niemand weiß, wie es weitergeht, nie«, entgegnete Julia und warf die Hände in die Luft. »Darauf will ich hinaus, Ellis. Man kann nichts im Leben kontrollieren, also warum lehnst du dich nicht einfach zurück und nimmst es so, wie es kommt?«
Jetzt war es an Ellis, die Augen zu verdrehen. »Du hast gut reden. Ich meine, sicher, du bist keine reiche Erbin oder so, aber zumindest haben dir deine Eltern ganz schön was hinterlassen, von dem du leben kannst. Und du hast einen Beruf, den du immer und überall ausüben kannst. Du reist in der ganzen Welt herum. Und: Du hast Booker. Aber ich? Ich habe in meinem Leben an drei Orten gewohnt: Savannah, Charlotte und Philly. Ich habe nur mich. Und meine Mama. Papa hat ihr gerade so viel hinterlassen, dass sie davon leben kann, wenn sie sich zusammenreißt. Tut sie aber nicht. Es wird so weit kommen, dass ich mich irgendwann um sie kümmern muss, nicht mein Bruder. Deshalb: Ja, ich mache mir Sorgen. Wenn ich so wäre wie du, hätte ich wahrscheinlich keine Sorgen. Bin ich aber nicht. Ich mache mir viele Gedanken. Aber ich bemühe mich, mir davon diesen Urlaub nicht verderben zu lassen.«
Julia ging weiter, drei oder vier Meter vor Ellis, die mit den langen Schritten ihrer Freundin einfach nicht mithalten konnte, wie sehr sie sich auch bemühte.
Sie bedauerte ihren Ausbruch bereits. Es war anmaßend, auf diese Weise über Julias Geld zu reden. Es war ja nicht so, das Julia herumlief und mit ihrem Geld angab oder sich darüber lustig machte, dass Ellis und Dorie weniger besaßen.
Als sie die asphaltierte Straße erreichten, verfiel Ellis in einen Trab, bis sie Julia eingeholt hatte. »Du bist sauer auf mich, stimmt’s?«
»Nein. Ich bin bestimmt nicht sauer, nur weil du sagst, was du denkst. Hoffe ich zumindest. Bloß hast du nicht die geringste Ahnung, wie mein Leben wirklich aussieht.«
»Nicht?«
»Nicht so richtig«, sagte Julia. Sie hatten den Eisladen erreicht. Er war auffällig mit zirkusbunten Streifen in Rot und Gelb gestrichen. Davor stand eine Schlange von einem Dutzend Gästen, die auf ihre Bestellung warteten, die Picknicktische im Schatten der Markise waren alle besetzt. Rockmusik
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