Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
gerade, wie es weitergeht.«
»Ich weiß, wie das ist«, sagte Ellis und nickte verständnisvoll. »Zeit für einen Neuanfang, nicht? Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich wieder zurück ins Bankgewerbe gehe.«
»Was?«, fragte Dorie verwirrt. »Du hast uns gar nicht erzählt, dass du den Beruf wechseln willst. Was hast du denn vor?«
Ellis zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Vielleicht verlege ich mich auf Bungeejumping. Oder lauf davon und geh zum Zirkus.«
»Na klar«, meinte Julia. »Und ich werde Gehirnchirurg.«
»Ellis hat Höhenangst«, erklärte Dorie, als sie Madisons fragenden Blick sah. »Und Julia kann kein Blut sehen. Sie ist an der Highschool in Biologie durchgefallen, weil sie keinen Frosch sezieren konnte.«
Madison gähnte und stellte ihren Eistee beiseite. »Entschuldigt«, sagte sie. »Ich hoffe, das ist jetzt nicht unhöflich, aber ich bin wirklich müde, nachdem ich den ganzen Tag im Auto gesessen habe.« Sie warf Dorie einen kurzen Blick zu. »Wenn ich darf?«
»Na, sicher«, rief Dorie und sah die Freundinnen kurz an. »Oder?«
Julia zuckte mit den Achseln, Ellis stand wieder auf. »Willkommen in Ebbtide«, sagte sie herzlich.
»Komm, Madison«, sagte Dorie. »Ich zeige dir dein Zimmer. Oder möchtest du lieber erst den Rest des Hauses sehen?«
»Den Rundgang mache ich später, wenn es euch nicht stört.«
»Okay«, erwiderte Dorie und bemühte sich, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Kein Problem. Also, dein Eingang ist hinterm Haus. Ich zeige ihn dir.«
»Danke.«
Vorsichtig stieg Dorie die drei Treppen hinauf und umklammerte dabei den rostigen metallenen Handlauf. Die abblätternde Farbe blieb an ihren feuchten Handflächen kleben. Madison war nur wenige Stufen hinter ihr, ihre Schritte waren leicht und ihr Atem gleichmäßig, während Dorie schon nach dem Erdgeschoss nach Luft schnappte.
Dorie und Ellis hatten ganze Arbeit geleistet und das Zimmer rasch für den Gast bereit gemacht. Es war stickig warm darin, so dass sie die Klimaanlage eingeschaltet hatten. Während Ellis frische Bettwäsche aufzog, hatte Dorie eine kleine Eichenkommode, einen Nachttisch und eine alte grüne Schreibtischlampe vom Speicher geholt. Sie hatten den Boden feucht gewischt und die Spinnweben von den Fensterbänken gefegt. Zu zweit hatten sie die verzogene Tür zur Feuertreppe aufstemmen müssen. Sie war offensichtlich schon länger nicht genutzt worden.
Jetzt öffnete Dorie die Tür und trat beiseite, damit Madison zuerst ins Zimmer gehen konnte. Sie drückte sich selbst die Daumen, dass das Zimmer ihre Zustimmung finden würde.
Madison brauchte nur einen Moment, um sich umzusehen. Sie stellte die Reisetasche aufs Bett und legte die Laptoptasche auf die Kommode. Dann ging sie zum Vorderfenster und schaute hinaus. Man hatte einen freien Blick auf die Straße. Ein zweites Doppelfenster ging aufs Meer.
»Schön«, sagte sie schnell.
»Das freut mich«, erwiderte Dorie. Sie wies durch die Tür auf den Treppenabsatz. »Das Badezimmer ist direkt um die Ecke. Da liegen saubere Handtücher. Hinter der Küche ist eine Wäschekammer.«
»Was ist mit dem Schlüssel?«, fragte Madison.
»Was für ein Schlüssel?«
»Für die Tür«, sagte Madison ungeduldig. »Genauer gesagt, für die Türen.«
»Oh.« Dorie schaute auf die Außentür, durch die sie gerade das Zimmer betreten hatten. Sie besaß einen altmodischen Schließzylinder. Die Schlafzimmertür selbst hatte lediglich einen Sperrriegel, sonst nichts.
»Wir haben keinen Schlüssel für die Feuerleiter«, gab Dorie zu. »Aber vielleicht können wir Mr Culpepper fragen, ob er uns einen besorgt.«
»Auf jeden Fall«, sagte Madison. »Ich brauche einen Schlüssel.«
»Ich glaube, deine Schlafzimmertür hat kein Schloss«, stellte Dorie fest. »Aber darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Da nur du im obersten Stock wohnst, wird hier keiner hochkommen.«
»Ich würde mich mit Schloss besser fühlen«, sagte Madison.
»Wirklich? Ich meine, die Außentüren unten haben ja Schlösser«, sagte Dorie, »ich kann dir einen Schlüssel dafür nachmachen lassen. Aber meistens vergessen wir sogar abzuschließen. Wir sind hier am Meer, deshalb machen wir uns keine Sorgen.«
»Aber ich mache mir Sorgen«, sagte Madison mit Nachdruck, die Hand an der Tür zum Treppenhaus. »Ich wohne normalerweise in der Stadt. Ich kann nur schlafen, wenn ich ein Schloss und einen Schlüssel habe – für beide Türen. Ich zahle auch gerne dafür, dass ein
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