Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
für die Person, die sie vor wenigen Minuten erfunden hatte. Madison bräuchte ein paar kurze Hosen und T-Shirts, eine Levis und Flipflops. Und ihre eigene Kleidung – die teuren Designerlabels, auf die sie bisher immer so viel Wert gelegt hatte? Auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums stand ein Sammelcontainer für Kleiderspenden. Das würde das Ende von Maryn sein. Und der Anfang von Madison.
»Da kommt sie«, sagte Dorie, als der Volvo die Auffahrt hinaufruckelte.
»Hübsches Auto«, sagte Julia. »Wo sie das wohl gestohlen hat?«
»Sei bloß nett!«, warnte Dorie und sprang von ihrem Schaukelstuhl auf.
Sie wartete, bis Madison den Wagen vor der Einfahrt geparkt hatte, dann ging sie ihr zur Begrüßung entgegen.
»Hi, Madison«, grüßte sie lächelnd. »Freut mich, dass du da bist. Hattest du Schwierigkeiten, uns zu finden?«
»Überhaupt nicht«, entgegnete die andere und holte Reisetasche und Laptop aus dem Kofferraum.
»Warte«, sagte Dorie und zog am Riemen der Reisetasche. »Ich helfe dir tragen.«
»Nein!« Madison entriss ihr das Gepäck. »Ich meine, nein, danke. Das schaffe ich schon selbst.«
»Okay. Komm doch hoch auf die Veranda. Wir trinken gerade einen Eistee. Die anderen beiden möchten dich unbedingt kennenlernen.«
»Wenn es dich nicht stört«, sagte Madison, »ich hatte einen langen Tag. Am liebsten würde ich schnell mein Zimmer begutachten und dann einziehen. Vielleicht können wir die gegenseitige Vorstellung auf später verschieben?«
Dorie lief knallrot an. »Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen voreilig war, als ich dir das Zimmer angeboten habe, ohne die anderen vorher zu fragen.«
Madison lächelte gezwungen. »Die wollen mich wohl erst abchecken? Sich überzeugen, dass ich nicht verrückt bin, was?«
»Tut mir wirklich leid. Das ist bloß, weil ich alles ganz allein gemacht habe, ohne es mit ihnen abzusprechen«, entschuldigte sich Dorie. »Normalerweise bin ich nicht so spontan. Aber es ist bestimmt kein Problem, sobald sie dich kennengelernt haben.«
Madison stieß einen genervten Seufzer aus. »Gut, bringen wir es hinter uns.«
»Also, Mädels«, sagte Dorie. »Das ist Madison.«
Ellis stand auf und streckte der Fremden die Hand hin. »Hallo, Madison, ich bin Ellis Sullivan.«
Julia blieb im Schaukelstuhl sitzen. Sie musterte Madison von oben bis unten und stellte schließlich ihr Glas mit Eistee ab. »Hallo, ich bin Julia.«
»Hallo«, erwiderte Madison misstrauisch. Sie umklammerte ihre Handtasche und sah sich auf der Veranda um. »Sieht echt nett aus hier. Danke, dass ich mich in euren Urlaub drängeln darf.«
»Wir freuen uns, dass du hier bist.« Ellis wies auf den Schaukelstuhl, den sie gerade geräumt hatte. »Setz dich doch, ja? Ich hab gerade Eistee gemacht.«
»Danke«, sagte Madison. Sie stellte ihre Reisetasche und die Handtasche neben sich auf dem Boden ab und nahm das Glas Eistee entgegen, das Ellis ihr einschenkte.
Betretenes Schweigen legte sich über die Veranda, nur unterbrochen vom rhythmischen Knarren von Julias Stuhl, der auf den abgenutzten hölzernen Bodendielen vor- und zurückschaukelte.
»Dorie hat dir wahrscheinlich schon viel von uns erzählt«, sagte Ellis, um das Eis zu brechen.
»Eigentlich nicht«, sagte Madison. »Sie hat nur erzählt, dass ihr schon ewig befreundet seid. Und ihr kommt aus Savannah?«
»Eigentlich bin ich die Einzige, die noch in Savannah lebt«, schaltete Dorie sich ein. »Ich unterrichte Englisch an einer katholischen Mädchenschule. Ellis wohnt in Philadelphia, sie arbeitet bei einer Bank.«
»Nicht mehr«, sagte Ellis. »Bin gerade gekündigt worden.«
»Und Julia lebt in London. Wenn sie nicht gerade unterwegs ist. Sie ist Model. Du hast sie bestimmt schon in Zeitschriften gesehen. Die Werbung für das Shampoo Sumptuesse, das war Julia«, erklärte Dorie. »Sie war das Gesicht von Sumptuesse.«
»Jetzt nicht mehr«, sagte Julia trocken. »Was ist mit dir, Madison? Was führt dich nach Nag’s Head?«
Mit dieser Frage hatte Madison gerechnet. Sie hatte sich eine Antwort zurechtgelegt, die im Großen und Ganzen zutraf.
»Ich bin auf der Flucht«, gab sie schlagfertig zurück. »Männerprobleme.«
»Wie furchtbar.« Dorie tätschelte linkisch Madisons Hand.
»Wird schon wieder«, erwiderte Madison mit bemühtem Lächeln.
»Woher kommst du?«, wollte Julia wissen.
»Gute Frage«, entgegnete Madison. »Ich bin oft umgezogen. Zuletzt hab ich in Jersey gelebt. Aber das ist vorbei. Ich überlege
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