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Die Sonate des Einhorns

Die Sonate des Einhorns

Titel: Die Sonate des Einhorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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riecht. Ach nein, ich habe Heimweh, ich habe es vorher nur nicht beachtet. Abuelita, du hast mich hergebracht, irgendwie, ich weiß nicht wie. Paß auf dich auf, bis ich zurück bin. Hörst du mich, Abuelita?
    Sie rannte los, um Ko einzuholen, da hielt sein ausgestreckter Arm sie auf. Schweigend deutete er auf einen Steinhaufen direkt vor ihnen. Eine weiße Schlange kreuzte den Weg in aller Seelenruhe. Sie war dicker als Joeys Bein, wenn auch nicht länger, hatte die Farbe von Schnee, wenn er in der Stadt fällt, und besaß zwei Köpfe. Der am Schwanz schien zu schlafen, jedenfalls waren seine Augen geschlossen, und er wurde – wie der Rest des Leibes – durch den Staub geschleppt. Doch die leuchtend schwarzen Augen des vorderen Kopfes waren weit aufgerissen, funkelten Joey und den Satyr seitwärts mit warnender Verachtung an, während die weiße Schlange vorwärtskroch. Ko tat einen entschlossenen Schritt in ihre Richtung: Sofort trat rote Hitze mitten aus den Augen dieser Kreatur, und der Kopf drehte sich eilig auf seinem stämmigen Hals, zeigte lange Giftzähne, die grauen Schleim absonderten. Ko wich zurück, und die Schlange kroch weiter ins Unterholz abseits des Weges. Joey konnte noch das leichte Knacken hören, das die Schlange auf ihrem Weg machte, obwohl sie schon nicht mehr zu sehen war.
    »Ein Jakhao«, sagte Ko. »Die mag eigentlich niemand.«
    Eilig machte er sich wieder auf den Weg, doch Joey blieb, wo sie war, denn ihre Beine verweigerten den Dienst. »Dieses Ding hatte zwei Köpfe«, rief sie ihm nach. »Zwei Köpfe!«
    »Es war ein Jakhao, das hab’ ich doch gesagt«, antwortete der Satyr über die Schulter hinweg. »Jetzt beeil dich, Tochter«
    »Ich bin nicht deine Tochter!« schrie Joey. »Ich gehöre nicht hierher! Ich sollte im Bett liegen und schlafen, in meinem Zimmer, in meinem Zimmer, ich gehöre nicht dahin, wo es Satyrn und doppelköpfige Schlangen und fliegende Dinger gibt, die einen jagen und töten wollen, und ich weiß noch nicht mal, was für Lebewesen es sind!« Sie merkte, daß sie hysterisch wurde, doch diese Erkenntnis war ungefähr so weit weg wie ihr Zuhause. »Was ist das hier für ein Land, und wer spielt diese Musik? Ich hab’ doch nur versucht, die Musik zu finden, mehr wollte ich doch gar nicht.« Sie spürte die Tränen auf ihren Wangen, und es ärgerte sie, aber sie hörten nicht auf zu fließen.
    Ko wandte sich um, und einen Moment lang betrachtete er sie ausdruckslos. Dann kam er zu ihr zurück und legte schweigend die Arme um sie. Sein gehörnter Kopf lehnte sich unbeholfen an ihre Brust, das rauhe Haar an seinen Armen kratzte auf ihrer Haut, er war ganz nah, und er stank schlimmer als Kenny Rowles, der im Mathematikunterricht neben ihr saß. Doch er hielt sie ganz sanft, und Joey legte die Arme um seinen Hals und weinte, bis sie von selbst wieder aufhörte.
    Als es soweit war, schob Ko sie ein bißchen von sich und sagte: »Wir sind in Shei’rah, das habe ich dir doch erzählt. Es ist eine Welt wie eure Welt, wie viele, viele, die unter den Sternen aneinander vorüberziehen.« Er tätschelte ihre Schulter. »Mehr weiß ich auch nicht. Aber ich bringe dich dorthin, wo du mehr erfahren kannst.«
    Joey schniefte. »Meine Eltern werden aufwachen und glauben, ich wäre tot, sie werden denken, man hätte mich entführt, was ja ständig vorkommt.« Beinahe hätte sie wieder angefangen zu weinen, aber sie beherrschte sich. »Ganz ruhig«, sagte sie. »Ganz ruhig. Wir sind auf dem Weg zum Ältesten, laß uns gehen. Ganz ruhig.«
    Der Weg folgte den Hügeln bergauf und bergab, und sie folgten ihm, aber dennoch bewegten sie sich leichter fort als im Wald. Der Himmel war von einem derart intensiven Blau, daß Joey es kaum ertragen konnte aufzublicken: Sie glaubte, sie müßte sonst aufwärts fallen, in alle Ewigkeit dem Himmel entgegentaumeln. Sie fragte Ko nach den Perytonen. »Ich habe nur eine Art Wolke gesehen, die auf mich zukam und dieses schreckliche Geräusch von sich gab. Ich könnte dir nicht sagen, wie einer von denen eigentlich aussieht.«
    »Wir haben noch nie einen Peryton gesehen«, erwiderte der Satyr nachdenklich. »Wir haben keine… keine Vorstellung von einem einzelnen Peryton. Sie treten immer in riesigen Schwärmen auf, Rudeln – Wolken, wie du es nennst –, und sie jagen alles, was sich bewegt, und was sie fangen, verschlingen sie auf der Stelle. Sie lassen nichts zurück, gar nichts… Ein Sprichwort sagt, daß die Perytone sogar deinen Schatten

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