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Die Sonate des Einhorns

Die Sonate des Einhorns

Titel: Die Sonate des Einhorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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handelte – nur sind es keine Vögel, es sind keine Vögel – und daß sie im Flug miteinander schnatterten, wobei sie ein leises, kaltes Klicken von sich gaben. Joey drehte sich um und rannte zu den Bäumen zurück.
    Auch der Schatten kehrte um, fast augenblicklich. Sie konnte den dunklen Strudel auf ihrer Haut spüren, ohne sich umzudrehen. O Gott, ich hätte mich nicht rühren sollen, sie haben mich gesehen. Das weiche Gras zerrte nun an ihren schweren Wanderstiefeln, die orangefarbenen und schwarzen Blumen krallten sich an ihre Beine und Knöchel, und hinter ihr kam das kalte Schnattern immer näher, während die blauen Bäume so weit wie eh und je entfernt zu sein schienen. Ihr Kopf war von diesem schrecklichen Geräusch angefüllt. Sie stolperte bei jedem Schritt, bemühte sich verzweifelt, nicht hinzufallen. Sie hatte das Gefühl, beim Atmen Feuer zu schlucken. Sie spürte, wie der Schatten quer über ihr Herz fiel.
    Mit einem letzten, taumelnden Sprung landete sie in einem anderen Schatten, schützend und süßlich duftend, und fiel auf die Nase. Augenblicklich sprang sie wieder auf, wankte noch ein paar Meter weiter, bis sie erneut stürzte. Selbst jetzt noch klammerte sie sich an Baumwurzeln, schob sich voran. Und da hörte sie die Stimme an ihrem Ohr. Diese sagte: »Bleib ruhig, Tochter. Bleib ganz ruhig.«
    Einen Moment lang erschien es Joey, als hätte sich das Geräusch, das sie verfolgte, in Worte verwandelt, Worte, die höchstwahrscheinlich das letzte waren, was sie jemals hören sollte. Doch die Stimme sagte: »Die Bäume werden sie aufhalten, glaube ich«, und sie merkte, daß kein gieriges Klicken in ihrem Tonfall lag, keine eisige Ungeduld. Die Stimme klang etwas mürrisch: »Sie mögen die Bäume nicht«, und dann, als sie den Kopf hob: »Runter! Bleib ganz ruhigl«
    Gehorsam blieb Joey regungslos liegen, obwohl ihre Augen voller Dreck waren und sich eine Wurzel schmerzhaft in ihre Seite bohrte. Sie konnte fühlen, wie sich der Schatten langsam zurückzog, während sie noch wie ein Hitzegewitter das wütende Schnattern über sich hörte. Sie bewegte den eingeklemmten Arm ein bißchen, und da die Stimme sie nicht deswegen tadelte, fühlte sie sich ermutigt, den Kopf in die Richtung zu drehen, aus der die Stimme gekommen war. Anfangs sah sie gar nichts, auch wenn ihre Nase einen warmen, stechenden Geruch wahrnahm, seltsam vertraut, wie die Waschräume in der Schule, wenn sie gerade frisch geputzt sind. Dann sah sie ihn.
    Er war einen guten Kopf kleiner als sie und glich so sehr einer Illustration, die Joey in einem Mythologiebuch gesehen hatte, daß sie ein plötzliches Lachen unterdrücken mußte. Er grinste sie schief an, zeigte quadratische, beerenfleckige Zähne zwischen bärtigen Lippen. Sein braunes, dreieckiges Gesicht war das eines Menschen, bis auf die spitzen Ohren – sie waren wirklich spitz, viel mehr noch als Indigos – und die gelben Ziegenaugen mit ihren horizontal geschlitzten Pupillen. Seine Füße waren paarhufig wie bei einer Ziege, genau wie im Buch, knickten in eine Art spitzes Sprunggelenk nach hinten ab, dort, wo beim Menschen das Knie gewesen wäre. Er war nackt, Brust, Bauch und Beine waren gleichermaßen mit grobem, dunklem Haar überzogen, glatt und schmutzverklebt. Das Haar auf seinem Kopf lockte sich so dicht, daß es beinahe die beiden kleinen Hörner verborgen hätte, die dort hervorlugten. Sein Grinsen wurde immer breiter, je länger Joey ihn anglotzte.
    »Ich heiße Ko«, verkündete er. »Es muß dir nicht peinlich sein, daß du mich bewunderst.« Mit schmuddeligen Fingern voll abgebrochener Nägel strich er sich den Bart glatt und fügte dann hinzu: »Ich war hübscher, als ich jünger war, doch damals mangelte es mir an Reife und Erfahrung, welcher ich mich inzwischen auch erfreue.«
    Endlich fand Joey ihre Sprache wieder, obgleich sie nur ein peinliches Krächzen hervorbrachte. »Ich weiß, wer du bist, ich habe ein Bild gesehen. Du bist ein Faun oder so was… ein Satyr, genau. Du bist ein waschechter Satyr.«
    Ko wirkte leicht verdutzt. »So würde man mich in eurer Welt nennen?« Er versuchte sich ein paarmal an dem Wort, dann zuckte er mit den Schultern. »Gut genug für Außerweltliche, nehme ich an. Immer so, wie man es gewohnt ist.«

    »Diese Dinger«, flüsterte Joey. Ko verstand sie sofort. »Wir hier nennen sie Perytone, und die Meinen nennen sich selbst Tirujai. Das hast du wirklich prima gemacht, wie du ihnen entkommen bist, Tochter. Das gelingt

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