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Die Sonate des Einhorns

Die Sonate des Einhorns

Titel: Die Sonate des Einhorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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anderen Welt noch nichts zu sich genommen hatte – verschlang so viele Javadurs, wie Ko finden konnte, und bat um mehr. Der Satyr war begeistert, erklärte ihr: »Warte hier und ruh dich aus, Tochter. Die besten Javadurs wachsen tiefer im Wald. Du wirst sehen: Diese hier sind eine müde Kopie der anderen. Warte auf mich.«
    Dankbar sank Joey mit dem Rücken an einen Baum, der einer großen, goldenen Ananas ähnlich eine angenehm unebene Rinde hatte. Sie schlief augenblicklich ein und träumte von BeeBee Huang, ihrer besten Freundin in der Schule. Die beiden badeten ihren kleinen Bruder Scott, aus irgendeinem verträumten Grunde, und BeeBee sagte, sie müßten sehr vorsichtig sein, weil sich manchmal seltsame Dinge unter den Seifenblasen verbargen, und diese könnten in Scotts Nase geraten, so daß er nicht mehr atmen konnte. Joey hatte schon Schlimmeres im Leben gehört. Gerade als sie das sagen wollte, merkte sie, daß ihr selbst das Atmen zunehmend schwerer fiel. Sie hatte den Gestank von brennendem Müll in der Nase, und ihr Nacken schmerzte seltsam. Scott und BeeBee waren verschwunden, doch irgend jemand rief laut von irgendwoher, mit einer Stimme, die ihr bekannt vorkam. Joey schlug die Augen auf.
    Eine kalte, kratzige Hand hielt ihr fest den Mund zu. Andere Hände krallten sich schmerzhaft unter ihre Arme. Erst als der Ast an ihren Kopf schlug, merkte sie, daß sie nicht mehr auf dem Boden lag, sondern gleichmäßig mit unerbittlicher Macht angehoben wurde. Noch immer rief die wütende Stimme irgend etwas, und die goldenen Blätter überall um sie herum rauschten und rasselten – oder waren das andere Stimmen? Sie bemerkte in einem kurzen Moment, daß die Hand auf ihrem Mund rauh von Schuppen war, dann ließen sie und alle anderen los, und sie taumelte durch die stummeligen Äste, bis sie der Länge nach auf dem kahlen Boden aufschlug. Einen Augenblick lang sah sie Gesichter, die auf sie herunterblickten, goldfarben, mit harten grünen Augen: Reptiliengesichter, nur flach statt spitz, die Ohren albernerweise wie die von Teddybären. Dann schlossen sich die Zweige unter ihnen, und sie waren fort.
    Als Joey endlich wieder zu Atem kam, was ewig zu dauern schien, setzte sie sich auf, holte Luft, um nach Ko zu rufen. Dann hielt sie inne, noch immer gaffend, denn sie starrte direkt in Indigos heiße blaue Augen. Er hockte neben ihr, unirdisch schön wie eh und je, doch fast schon menschlich, so zornig wie er mit ihr sprach. »Was ist los mit dir, Kind der Außenwelt? Hast du denn gar keinen Verstand?«
    Benommen schüttelte Joey den Kopf, rieb sich Nacken und Schultern. Alles tat ihr weh, und sie begann, heftig zu zittern. Indigo sagte: »Fällt dir nichts Besseres ein als unter einem Cryak-Baum zu schlafen? Du hattest mehr Glück als Verstand, daß ich gerade in der Nähe war.«
    »Was machst du hier?« flüsterte Joey. »Wo ist Ko? Ich will zu Ko.«
    Der Junge schnaubte, was sich erstaunlicherweise nach John Papas anhörte. Er setzte zum Sprechen an, doch der Satyr war schon da, legte seine sehnigen Arme fest und muffig und tröstend um sie. »Hier bin ich, Tochter, hier ist der alte Ko, und hier bist du, unverletzt, ruhst dich nur ein bißchen aus.« Doch seine Stimme bebte fast so sehr wie sie.
    »Ruhst dich nur ein bißchen aus«, äffte Indigo ihn unbarmherzig nach. »Ruhst unter einem Cryak, wie eine Mahlzeit, die auf einem frischen grünen Blatt serviert wird. Welcher Teufel reitet dich, Tirujai, daß du sie hier schlafen läßt?«
    Ko neigte den Kopf, die Stimme kaum mehr hörbar. »Ich dachte … es hieß, sie wären nicht mehr hier. Sie wandern doch, die Criyaqui, das weißt du … man hat sie in diesem Wald seit drei Jahreszeiten nicht mehr gesehen, seit vier…« Seine letzten Worte versickerten kläglich in Joeys Haar.
    »Sie sind zurück«, sagte Indigo. »Wie der Tirujai früher als alle anderen hätte wissen müssen.« Joey ließ ihre Blicke zwischen ihm und Ko hin und her wandern. Die Stimme des Satyrs klang etwas kräftiger, als er sich wieder an sie wandte. »Tochter, ich bitte dich nicht, mir zu verzeihen. Nur… nur dachte ich wirklich, diese Bäume wären sicher. Das habe ich wirklich gedacht.«
    »Wer sind sie?« fragte Joey bebend. »Was haben sie… ich meine, was wollten sie?« Noch immer konnte sie die matten, gierigen Schlangenaugen in den goldenen Gesichtern sehen, selbst als sie die eigenen Augen schloß.
    »Niemand weiß es«, antwortete Ko. »Niemand, den die Criyaqui geholt haben,

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