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Die Sonate des Einhorns

Die Sonate des Einhorns

Titel: Die Sonate des Einhorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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ist je zurückgekehrt. Sie leben in diesen Bäumen und fangen meinesgleichen, wann immer sie können, in den Ästen, wie sie fast auch dich gerade geholt hätten. Nie finden wir Knochen… oder sonstwas, also wissen wir nicht…« Er hielt Joey so fest, daß es ihr nun an anderen Stellen weh tat.
    »Ich kann es nicht fassen«, sagte Joey. »So ist es, das ist alles, so einfach ist das. Ich glaube einfach nicht, daß das alles passiert. Daß es dich gibt«, sagte sie zu Ko, aber dennoch vergrub sie ihr Gesicht in seinem stinkenden Haar.
    Sie hörte, wie Indigo den Satyr fragte: »Wohin bringst du sie?« und wie Ko erwiderte: »Zu den Ältesten natürlich, wohin sollte ich eine Außerweltliche denn wohl sonst bringen?«
    Indigo klang seltsam gedämpft, als er wieder sprach. »Sie sind nicht…« Er machte eine Pause und sagte dann sogar noch leiser: »Du weißt, wie es um sie steht, um die Ältesten?«
    »Sie sind noch immer, was sie waren«, antwortete Ko mit erschreckendem Ungestüm über Joeys Kopf hinweg. »Du weißt besser als ich, daß sich alles in Shei’rah verändert, nur die Ältesten nicht. Für mich sind sie immer noch die gleichen, und ich vertraue ihrer Weisheit nicht weniger als früher.«
    Eine Zeitlang sagte Indigo nichts mehr. Es lag eine Müdigkeit in seiner Stimme, die nicht zu ihm paßte, als er schließlich sagte: »Ich bin doch nicht so dumm und rede mit einem Tirujai über die Ältesten. Nimm sie also mit, wenn du meinst, aber halt sie wenigstens von den Cryak-Bäumen fern. Auf der anderen Seite der Grenze gibt es einen alten Mann, der dir dafür dankbar sein wird.« Joey hörte nicht, wie er verschwand.
    »Es tut mir so leid, Tochter«, sagte Ko bedrückt, während Joey begann, ihren Kopf hin und her zu drehen, um zu sehen, ob ihr Hals noch funktionierte. »Wenn Indigo nicht gewesen wäre…«
    »Wie ist er eigentlich hierher gekommen?« wollte Joey wissen. »Ist er mir über die Grenze gefolgt oder was?«
    Da lächelte Ko trotz seines offensichtlichen Jammers. »Habe ich dir nicht erzählt, daß Wanderer in beiden Richtungen die Grenze überschreiten? Es gibt einige wenige in Shei’rah, die eure Welt vielleicht fast so gut kennen wie du.«
    »Indigo kommt also von hier«, sagte Joey langsam. »Aus Shei’rah.« Wieder schüttelte sie den Kopf, schlug leicht mit dem Handballen an ihr Ohr, als wäre Wasser darin. »Das hätte ich mir längst denken können, was? Jemand, der so aussieht. Gut.« Sie stand auf, rieb an ihrem Mund herum, um die Empfindung loszuwerden, die die säuerliche Kühle der Criyaqui-Hände hinterlassen hatte. »Okay. Gehen wir.«
    Gegen Abend, endlich, begann die Straße, ebener zu werden, und Joey machte einen Wald als Klecks am Horizont aus. So fern er auch war, so konnte sie doch sehen, daß diese Bäume nicht blau waren und auch nicht golden, sondern rot: kein herbstliches Scharlach, sondern tiefes Rubinrot, Stamm und Blätter fast schwarz im späten Licht. Als würde Blut durch sie hindurchfließen, wie bei den Menschen, nicht dieses Chlorophyll-Zeug. Als sie näher kamen, bemerkte sie, daß der Wald viel größer war als alle anderen, die sie an diesem lag passiert hatten, und daß Ko sie zielstrebig in sein düster glimmendes Herz führte. »Hier leben die Ältesten«, sagte er. »Vielleicht finden wir sie, vielleicht auch nicht, aber hier ist ihr Zuhause.«
    »Vielleicht auch nicht?« wiederholte Joey. »Oh, wie wunderbar. Meine Eltern haben inzwischen das FBI und Luftlandetruppen auf die Suche nach mir geschickt, Mr. Papas weiß nicht, was mit mir passiert ist, und ich habe eine sehr, sehr wichtige Mathematikarbeit versäumt – die macht da drüben eine Viertelzensur aus –, und mein Bruder Scott hat wahrscheinlich schon sein ganzes Zeug in meinem Zimmer verstaut. Und du erzählst mir, daß wir die Leute, die mich nach Hause bringen können, vielleicht gar nicht finden?«
    »Ich habe gesagt: Die Ältesten wissen, was zu tun ist«, erwiderte der Satyr. »Glaub mir, Tochter, ob wir sie sehen oder nicht, macht nicht den geringsten Unterschied. Sie wissen trotzdem, was für Shei’rah das beste ist.«
    »Für Shei’rah?« rief Joey. »Und was ist mit dem, was für mich das beste ist?«
     
    »Das wird dasselbe sein«, sagte Ko, der zum ersten Mal seit
    Joeys Begegnung mit den Criyaqui wieder zuversichtlich redete. Doch dann schwieg er, und seine Stimme klang dünner und weniger selbstsicher, als er nochmals sprach. »Die Ältesten … es ist ein wenig so, wie

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