Die Sonne war der ganze Himmel
Gefühls bewusst, das mich nach meinem Fortgang aus Al Tafar schleichend überkommen hatte. Wenn ich aus dem Taxifenster schaute, verschwammen die Bäume zu einem silbernen Streifen, doch die grünen Frühlingsknospen, die den letzten Hauch des Winters abschüttelten, konnte ich trotzdem gut erkennen. Das erinnerte mich an den Krieg, der erst eine Woche hinter mir lag. Ich wusste es damals nicht, aber je weiter ich mich von den Ursprüngen meiner Erinnerungen entfernte, desto deutlicher wurden sie – sie brachen auf wie Knospen nach einer langen Dürreperiode. Die Bäume, die ich aus dem Taxi sah, ließen mich an den Krieg denken, führten mir vor Augen, dass unser Jahr in der Wüste, vom Herbst einmal abgesehen, ohne Jahreszeitenwechsel verstrichen war. Wie ein Tag in den anderen überging, der Staub, der in Al Tafar alles unter sich begrub und dafür sorgte, dass wir sogar die blühenden Hyazinthen für ein Gerücht hielten – all das fand ich im Rückblick zutiefst beunruhigend.
Ich hatte geglaubt, es wäre eine Erleichterung, in einer gemäßigten Klimazone anzukommen, wo der Winter merklich in den Frühling überging, aber ich hatte mich getäuscht. Das nasskalte Märzwetter in Deutschland war ein Schock für meine Haut, und als der Lieutenant uns mitteilte, wir würden keinen Ausgang bekommen, obwohl wir erst am nächsten Tag weiterfliegen sollten, – »Geduld, Jungs«, sagte er –, beschloss ich, mir den wohlverdienten Ausgang selbst zu genehmigen.
Ich musste eine gute halbe Meile bis zum Sicherheitstor laufen, und nach weiteren zwei Meilen kamen links von mir die ersten Häuser in Sicht. Der Himmel war wolkenverhangen, ein feiner Sprühregen erfüllte die Luft. Während des Fluges hatte die Sonne alles auf lebendige Art beherrscht, aber jetzt hatte sie sich hinter Wolken versteckt, die aussahen wie mit Ruß gemalte Skizzen ihrer selbst. Die Häuser waren bunter, als ich es jemals für möglich gehalten hätte, mit Verzierungen in zarten Pastelltönen und cremeweiß oder gelb verputzten Mauern. Ich ging in die Stadt, vorbei an schummerigen Cafés, aus denen herzhafte Gerüche drangen, vorbei an vereinzelten Passanten, die mich, den Kragen ihres Regenmantels bis zum Kinn hochgeschlagen, kurz musterten, bevor sie weiter ihrem Ziel zustrebten.
Ich genoss es, einsam und allein durch den Regen zu laufen, der auf Tannen und Birken fiel, und wenn ich Einheimische sah, erfüllte mich eine innere Ruhe, denn ich musste nichts sagen. Das Schweigen schenkte mir eine Art Frieden. Meine Schritte hallten auf Kopfsteinpflaster und in engen Gassen, und wenn ich jemandem begegnete, tauschten wir einen flüchtigen Blick. Meine sonnengebräunte, gefurchte Haut verriet den Leuten, dass ich Amerikaner war, und sie ersparten sich Fragen, die ich sowieso nicht verstanden hätte, und ich dachte: Danke, ich bin müde und weiß nichts zu sagen. Aber da waren wir längst aneinander vorbei. Und ich verspürte ein gutes Gefühl, weil ich wusste, dass diese Distanz erklärlich war, dass sie sich einer Sprachbarriere verdankte, war froh, meine Einsamkeit noch eine Weile bewahren zu können.
Ich erreichte einen Kreisverkehr, an dessen Rand mehrere Taxis standen. Ich klopfte gegen die Scheibe des vordersten Autos. Der Fahrer, ein Mann mit großen Augen und kleinem, schmalem Mund, richtete sich auf. Er ließ das Fenster hinunter, streckte die Nasenspitze heraus. Ich beugte mich zu ihm hin, die Hände in den Hosentaschen meiner Jeans. »K-town«, sagte ich leise. Wir waren einander für einen kurzen Moment sehr nahe, berührten uns beinahe, und er erwiderte etwas, das ich nicht verstand. »No sprechen«, sagte ich. Er seufzte und lächelte, winkte zum Rücksitz seines Taxis, und ich stieg ein.
Und da begann es, auf dieser kurzen Fahrt nach Kaiserslautern. Wir fuhren schweigend, tauschten keine Floskeln aus, das Radio blieb stumm. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Scheibe, beobachtete, wie sie durch meinen Atem beschlug. Ich zog mit einem Finger Striche auf das Glas, einen nach dem anderen, bis ein Quadrat entstanden war, ein kleines Fenster im Rahmen des großen. Als mein Blick auf die Bäume am Straßenrand fiel, verkrampften sich meine Muskeln, und ich begann zu schwitzen. Ich wusste, wo ich war: auf einer Straße in Deutschland, auf Ausgang, wenn auch unerlaubt, während ich auf den Rückflug in die Staaten wartete. Meine Finger umklammerten ein unsichtbares Gewehr. Da ist keine Waffe, erklärte ich ihnen, doch sie begriffen nicht,
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