Die Sonne war der ganze Himmel
schwache, rosige Licht. Ich lauschte dem Hall ihrer Trippelschritte auf dem Steinfußboden. Ich sah zum Gewölbe auf, betrachtete die Rahmen der Heiligenbilder, die feinen Ziselierungen, die sich wie wilder Efeu durch den Kirchenraum zogen, und las: »Alles Gold, was du siehst, ist wahrhaft Gold.« Ich murmelte diesen Satz vor mich hin, sprach ihn laut aus und bückte mich, um den Text zu Ende zu lesen, doch es waren die abschließenden Worte der Inschrift.
Der Priester kam hinter dem Altar hervor, ohne dass ich ihn bemerkt hätte, und als ich die Broschüre zusammenfaltete, stand er plötzlich vor mir. Er war klein und trug eine Brille mit Drahtgestell, und als er mich anschaute, lächelte er mit geschlossenem Mund. Es war ein Lächeln, das entweder mitfühlend oder spöttisch gemeint sein konnte. »Sie dürfen hier nicht rauchen«, sagte er auf Englisch.
»Was? Oh. Verdammt. Verzeihung.« Ich hatte nicht gemerkt, dass ich mir eine Zigarette angezündet hatte. Die Spitze glühte rötlich im Zwielicht. Ich trat sie aus und steckte sie in die Tasche.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Er glaubte offenbar, dass es mich durch einen Irrtum in diese Kirche verschlagen hatte. »Nein. Ich schaue mich nur um. Ich habe Ausgang«, log ich.
Er zeigte auf die Broschüre. »Interessante Geschichte, nicht wahr?«
»Ja. Oh, ja«, stotterte ich. »Das finde ich auch.«
Er streckte mir eine Hand hin. »Ich bin Pater Bernhard.«
»Bartle. Private Bartle.«
Er setzte sich auf die Kante einer Kirchenbank, lächelte leise vor sich hin, strich die Hose auf den Oberschenkeln glatt. »Ich bin auch so eine Art Gefreiter.« Er verstummte.
»Ah. Verstehe«, sagte ich.
»Darf ich ehrlich zu Ihnen sein?«
»Natürlich.«
»Sie wirken bedrückt.«
»Bedrückt?«
»Ja. Irgendetwas scheint Sie zu belasten.«
»Keine Ahnung. Aber ich denke, es geht mir gut.«
»Ich habe da eine gewisse Erfahrung, müssen Sie wissen. Wenn Sie möchten, können wir reden.«
»Worüber?«, fragte ich.
»Das würde ich Ihnen überlassen. Ich wäre der Zuhörer.«
Erst da merkte ich, dass ich die Fingergelenke meiner linken Hand unaufhörlich knacken ließ. »Ich weiß nicht, Pater. Ich habe keine Ahnung, wie das funktioniert. Ich bin kein Katholik.«
Er lachte. »Sie müssen kein Katholik sein. Ich habe ein Versprechen abgelegt, dass meine Mitmenschen mir alles anvertrauen dürfen.«
Ich hatte einen schmalen Streifen Lack von der benachbarten Kirchenbank gekratzt. »Hört sich gut an. Was Sie da tun, meine ich.«
»Es gibt eine alte Redensart für solche Situationen.«
»Und wie lautet die?«
»Ein Mensch ist nur so krank wie seine dunkelsten Geheimnisse.«
»Ich schätze, es gibt für alles eine Redensart.«
»Wohl wahr.« Er lächelte wieder.
Ich überlegte eine Weile. »Sie möchten also, dass ich eine Art Beichte ablege?«
»Nein, keine Beichte. Es geht nur darum, dass Sie reden.«
»Ich habe einen Fehler begangen. Mehr nicht.«
»Jeder Mensch begeht Fehler.«
»Nein«, sagte ich. »Nicht jeder. Keinen solchen.«
Die Fremdenführerin und die Kinder hatten die Kirche inzwischen verlassen. Die Fenster waren dunkel. Im Zwielicht der Lampen und Kerzen glichen sie schwarzen, unterhalb des Gewölbes gähnenden Löchern.
Ich setzte mich auf die Bank. Der Pater saß am anderen Ende, und ich fand es auf einmal befremdlich, hier zu sein, bei dieser feuchten Kälte, in diesem flackernden Licht. Ich fühlte mich fremd, entsetzlich fremd, und hatte den Drang, davonzurennen. Doch ich blieb sitzen.
Wir schwiegen verlegen. »Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, aber ich muss jetzt los. Danke, dass Sie mir Ihre Zeit gewidmet haben, Pater. Wenn ich nicht bald zurück bin, bekomme ich Ärger. Sie wissen sicher, was ich meine.« Ich stand auf und ging in Richtung der großen Türen an der Westseite der Kirche. Die Geräusche meiner Schritte waren das Einzige, was man im Raum hörte, und dann rief mir der Pater nach: »Möchten Sie, dass ich für Sie bete?«
Während ich über diese Frage nachdachte, sah ich mich noch einmal in der Kirche um. Sie war wunderschön, das Schönste, was ich seit langem gesehen hatte, aber es war die traurige Schönheit von Dingen, die man erschaffen hatte, um die Hässlichkeit der Welt zu vertuschen. Ich zog die Broschüre aus der Tasche. Die ganze Geschichte der Kirche war darin beschrieben, tausend Jahre auf drei Seiten. Irgendein armer Kerl hatte entscheiden müssen, was es wert war, erinnert zu werden, hatte es sauber
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