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Die Sonne war der ganze Himmel

Die Sonne war der ganze Himmel

Titel: Die Sonne war der ganze Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Powers
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in der Ferne fast senkrecht niederstießen.
    »Das ist mein altes Viertel«, sagte Malik.
    Er sprach mit kehligem Unterton, doch sein Englisch war hervorragend. Ich hatte ihn oft gebeten, mir bei meinem Arabisch zu helfen, die Aussprache bestimmter Wörter zu verbessern. »Shukran.« »Afwan.« »Qumbula.«
Danke. Bitte. Bombe.
Er hatte mir immer geholfen, das Gespräch aber jedes Mal mit den Worten beschlossen: »Ich muss Englisch sprechen, mein Freund. Zur Übung.« Vor dem Krieg hatte er Literatur studiert. Nach der Schließung der Universität war er zu uns gestoßen. Er verhüllte sein Gesicht mit einer Kapuze, trug eine khakifarbene Freizeithose und ein verwaschenes Anzughemd, das er jeden Tag zu bügeln schien. Von Murph und mir nach der Kapuze gefragt, fuhr er sich mit dem Zeigefinger über die Kehle. »Man wird mich töten, weil ich euch helfe. Man wird meine ganze Familie töten.«
    Murph, der dem Lieutenant und Sterling auf der anderen Seite des Dachs beim Aufbau des Maschinengewehrs geholfen hatte, huschte tief gebückt auf uns zu. Die Wüstenlandschaft, die sich bis zu den fernen Höhenzügen erstreckte, schien ihn zu beunruhigen, und der Anblick des verdorrten Grases, das hier unten im Schwemmland wuchs, war auf Dauer tatsächlich unerträglich.
    »Hey, Murph«, sagte ich. »Das sind Maliks alte Jagdgründe.«
    Murph ließ sich vor der Mauer auf den Boden sacken. »Wo genau?«, fragte er.
    Malik stand auf und deutete auf eine Reihe von Gebäuden, die am Rand von Al Tafar nahezu organisch, in etwas schiefen Winkeln beieinanderstanden, durch Felder und eine weite Obstwiese von unserem Sektor getrennt. Feuer loderten in Blechtonnen und auf Müllhaufen, flammten ohne ersichtlichen Grund überall am Stadtrand auf. Murph und ich blieben sitzen, denn wir wussten auch so, worauf Malik deutete.
    »Frau Al-Sharifi hat auf diesem Feld immer ihre Hyazinthen gepflanzt.« Er breitete die Arme aus, schwang sie durch die Luft, eine Geste, die mich an einen Prediger erinnerte.
    Murph griff nach dem Ärmel von Maliks gebügeltem Hemd. »Vorsicht, Großer. Du bist eine Zielscheibe.«
    »Sie war eine verrückte, alte Witwe.« Malik stemmte die Hände in die Hüften. Seine Augen waren trüb vor Erschöpfung. »Die Frauen im Viertel waren unglaublich neidisch auf diese Blumen.« Er lachte. »Sie haben die Alte der Zauberei bezichtigt, weil ihre Blumen so gut gediehen.« Er verstummte, legte die Hände auf die Lehmziegelmauer. »Sie sind während der Schlacht im letzten Herbst verbrannt. In diesem Jahr hat sie keine neuen mehr gepflanzt«, schloss er abrupt.
    Ich versuchte vergeblich, mir vorzustellen, dort zu leben, obwohl wir in den Straßen patrouilliert waren, in denen Malik aufgewachsen war, in kleinen Lehmziegelhütten Tee getrunken hatten, deren Bewohner, meist alte Männer und Frauen, meine Hände mit ihren zerbrechlichen Händen umschlossen hatten. »Alles klar, Kumpel«, sagte ich. »Und jetzt setz dich, sonst schießen sie dir den Arsch weg.«
    »Wirklich schade, dass ihr die Hyazinthen nicht gesehen habt«, sagte er.
    Da begann es. Der Übergang von einem Augenblick zum nächsten schien eine ganz eigene, sowohl begrenzte als auch unbegrenzte Dynamik zu besitzen, ähnlich der unendlichen Teilbarkeit aneinandergereihter Zahlen. Leuchtspurgeschosse wurden jenseits des Feldes aus den im Dunkeln liegenden Gebäuden abgefeuert, und die Zahl der Kugeln überstieg die der Leuchtspuren zweifellos um ein Vielfaches. Wir hörten, wie sie uns um die Ohren flogen, in Lehmziegel und Beton einschlugen. Wir sahen nicht, wie Malik getroffen wurde, aber unsere Uniformen waren von seinem Blut befleckt. Nach dem Befehl, das Feuer einzustellen, schauten wir über die niedrige Mauer. Er lag in einer großen Blutlache unten im Staub.

    »Zählt nicht, oder?«, fragte Murph.
    »Nein. Glaube nicht.«
    »Wie viele sind es jetzt?«
    »Neunhundertachtundsechzig? Neunhundertsiebzig? Wir müssen in die Zeitung schauen, wenn wir zurück sind.«
    Ich merkte damals nicht, wie grausam meine Abgebrühtheit war. Der Tod von Menschen war etwas ganz Natürliches. Und nun, da ich in einer gemütlichen Hütte oberhalb eines klaren Flusses in den Blue Ridge Mountains sitze und darüber nachdenke, wie ich mich damals, als Einundzwanzigjähriger, verhalten und gefühlt habe, wird mir bewusst, dass es nicht anders ging. Ich musste durchhalten. Und um durchhalten zu können, musste ich einen klaren Blick bewahren, mich auf das Wesentliche konzentrieren.

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