Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)
Schwärme von Ameisen und Termiten rund um die Welt ausbreiteten, entwickelten sich gleichzeitig mit ihnen viele andere landbewohnende Wirbellose und konnten nicht nur überleben, sondern gut gedeihen. Pflanzen und Tiere bildeten in der Evolution Verteidigungsmechanismen gegen ihre Verwüstungen heraus. Viele spezialisierten sich auf Ameisen, Termiten und Bienen als Nahrung. Zu diesen Räubern gehören auch Kannenpflanzen, Sonnentau und andere Pflanzen, die zahlreiche Tiere fangen und verdauen können und damit den Nährstoffgewinn aus dem Boden aufbessern. Ein weites Spektrum von Pflanzen- und Tierarten bildete enge Symbiosen mit den sozialen Insekten heraus, nahm sie also als Partner an. Ein großer Anteil von ihnen ist inzwischen hinsichtlich ihres Überlebens völlig von ihnen abhängig – sie brauchen sie als Beute, Symbionten, Aasfresser, Bestäuber oder Bodenbelüfter.
Insgesamt war das Evolutionstempo von Ameisen und Termiten langsam genug, dass die Gegenevolution des übrigen Lebens sie auffangen konnte. Daher haben die Insekten den Rest der terrestrischen Biosphäre durch ihre zahlenmäßige Übermacht nicht zerstört, sondern wurden lebensnotwendige Teile davon. Die Ökosysteme, die sie heute dominieren, sind nicht nur zukunftsfähig, sondern zugleich von ihnen abhängig.
Gänzlich anders verlief das Aufkommen des Menschen von der einzigen Art Homo sapiens in den letzten 100.000 Jahren und seine Verbreitung rund um die Erde innerhalb von nur 60.000 Jahren. Die Zeit war zu knapp, als dass unsere Evolution koordiniert mit dem Rest der Biosphäre hätte ablaufen können. Andere Arten waren auf diesen Ansturm nicht vorbereitet. Dieses Manko hatte schon bald schlimme Auswirkungen auf das restliche Leben.
Zunächst kam es zu einem durchaus umweltverträglichen Prozess der Artenbildung in den Populationen unserer unmittelbaren Vorfahren überall in der Alten Welt. Die meisten dieser Arten starben aus, führten also in stammesgeschichtliche Sackgassen – Äste am Baum des Lebens, die nicht mehr weiter wuchsen. Ein Zoologe würde uns erklären, dass an diesem geografischen Muster nichts Ungewöhnliches ist. Auf den Kleinen Sunda-Inseln östlich von Java lebten einst seltsame kleine «Hobbits» der Art Homo floresiensis . Ihr Gehirn war nicht viel größer als das von Schimpansen, aber sie benutzten fortentwickelte Steinwerkzeuge. Von ihrer Lebensweise ist sonst sehr wenig bekannt. In Europa und im östlichen Mittelmeerraum gab es Neandertaler, den Homo neanderthalensis , eine unserem Homo sapiens verwandte Art. Neandertaler waren Allesfresser wie unsere eigenen Vorfahren, sie hatten einen massiven Knochenbau und sogar noch größere Gehirne als der moderne Homo sapiens . Sie nutzten grobe, aber doch spezialisierte Steinwerkzeuge. Die meisten ihrer Populationen passten sich dem rauen Klima der «Mammutsteppe» an, den kalten Grassteppen rund um die kontinentalen Gletscher. Sie hätten sich damals vielleicht selbst zu einer fortgeschrittenen Menschenform weiterentwickeln können, dünnten aber aus und starben ohne weiteren Fortschritt aus. Und im nördlichen Asien schließlich vervollständigt das menschliche Artenspektrum eine andere Art, die bis heute nur von wenigen Knochenfunden bekannt ist, der «Denisova-Mensch», der offenbar vikariant zum Neandertaler weiter östlich lebte.
Keine dieser Homo -Arten – bezeichnen wir sie ruhig als Menschenarten – hat bis heute überlebt. Wäre das anders, so überstiege es jede Vorstellung, wenn man nur überlegt, zu was für moralischen und religiösen Problemen das in der modernen Welt geführt hätte. (Bürgerrechte für Neandertaler? Eigene Ausbildung für Hobbits? Erlösung und Paradies für alle?) Obwohl es keine direkten Beweise dafür gibt, bestehen kaum noch Zweifel, warum die Neandertaler, nach Funden aus Gibraltar zu urteilen, vor dreißigtausend Jahren ausgestorben sind. Auf die eine oder andere Weise, sei es aus Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum, durch offenen Kampf oder durch beides, wurden unsere Vorfahren die Vernichter dieser und anderer Arten, die in der adaptiven Radiation des Homo , seiner Auffächerung durch die Herausbildung spezifischer Anpassungen und die Besetzung von ökologischen Nischen, aufgetreten waren. Noch zu Lebzeiten der Neandertaler waren die archaischen Stämme des Homo sapiens in Afrika weitgehend isoliert; ihre Nachfahren aber sollten sich schon bald geradezu explosiv über den Kontinent hinaus ausbreiten. Sie bevölkerten
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