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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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räumten unter dem Schutz von gleichfalls bewaffneten Zivilbeamten mindestens drei Etagen des Hauses aus. Inzwischen hausten im zweiundzwanzigsten Stock höchstens noch Kakerlaken.
    Wie Weaver war Leticia Jones ein Mitglied der berüchtigten Abteilung Tourismus. Und jetzt befand sie sich in Berlin, zusammen mit einem Mann, der möglicherweise auch ein Tourist war. In Berlin, wo ein moldawischer Einwanderer wohnte, nach dem die CIA suchte, weil er einen ihrer Agenten angeschossen hatte. Dazu kam, dass letzte Woche ein Mann nach Amerika überführt worden war, der gleichfalls mit Milo Weaver und Xin Zhu in Verbindung stand. Eine Konstellation von Akteuren, die sie nicht ignorieren konnte.
    Sie rieb sich fest übers Gesicht und blickte zu Oskar auf, der bereits schadenfroh grinste. »Am besten, Sie tanken schon mal den Wagen voll«, sagte sie.
    »Sie sind jetzt der große Boss«, antwortete er. »Das heißt, auch ich bin kein kleiner Befehlsempfänger mehr. Auftanken kann jemand anders.«
    Auf der Fahrt erinnerte sie sich an ihre letzte Unterhaltung mit Andrei Stanescu. Nachdem er Weaver niedergeschossen hatte, hatte sie ihn bei seiner Rückkehr nach Deutschland von Oskar und zwei anderen am Flughafen abholen und zu einem wartenden Auto bringen lassen. Oskar gab ihm ein Telefon, und sie bemühte sich, ihm seine Lage möglichst deutlich vor Augen zu stellen:
    »Ich weiß, was Sie getan haben, Herr Stanescu, und ich finde es nicht gut. Aber wenn ich mich um alles kümmern würde, was ich nicht gut finde, wäre ich nicht mal zwanzig geworden. Von der anderen Seite des Atlantiks haben wir die Aufforderung bekommen, Sie zu verhaften und der amerikanischen Justiz auszuliefern.« Sie unterbrach sich kurz. »Ich werde nicht mit Ihnen schimpfen. Ich werde Ihnen nicht einmal sagen, dass Sie ein Trottel sind, weil Sie auf einen Mann geschossen haben, der Ihre Tochter nicht getötet hat, wie ich Ihnen bereits erklärt habe. Das ist alles Vergangenheit. Im Moment kann ich Ihnen versprechen, dass ich Ihnen die Amerikaner so lange wie möglich vom Hals halte, aber nur unter einer Bedingung, Herr Stanescu. Sie dürfen niemandem erzählen, was Sie getan haben. Ihrer Frau nicht und Ihrem Bruder nicht. Auch Ihrem Priester nicht. Sie müssen mit dieser Tat leben und allein mit ihr zurechtkommen. Wenn es Ihnen zu viel wird, wenn Sie glauben, dass Sie einfach nicht mehr schweigen können, dann rufen Sie mich sofort an. Denn ich bin der einzige Mensch auf der Welt, mit dem Sie darüber reden können.« Sie wartete kurz, um ihre Worte wirken zu lassen. »Wenn Sie diese Mahnung nicht befolgen, müssen Sie mit unmittelbaren Konsequenzen rechnen. Sie werden verschwinden und in Amerika wieder auftauchen. Ihr Leben wird in den Händen von Fremden sein, die kein Mitgefühl kennen und sich nicht dafür interessieren, was Sie durchgemacht haben. Wichtiger noch, Ihre Frau wird nach der Tochter auch noch den Mann verlieren. Und wir wissen beide, dass sie das nicht überstehen würde.«
    Soweit sie wusste, hatte er ihre Anweisungen genau befolgt. Und trotzdem waren sie jetzt hier.
    Sie und Oskar nahmen sich Zimmer im Berliner Radisson Blu, und als sie später von einem ihrer Agenten in der Lobby informiert wurde, dass Davis und Garza bei einem Drink an der Bar saßen, fuhr sie mit Oskar hinunter. Sie arbeitete nicht gern im Außendienst, aber die Möglichkeit, dass ein anderer die Sache versiebte, ging ihr noch mehr gegen den Strich. Also setzte sie sich persönlich an einen Tisch an der Wand und beobachtete, wie Oskar in Begleitung zweier Sachsen, die keineswegs so harmlos waren, wie sie aussahen, die Amerikaner zu einem Drink einlud. Es sprach für ihre Kaltblütigkeit, dass sie sich benahmen, als hätten sie damit gerechnet, was Erika bezweifelte. Bald darauf saßen Leticia Jones und der Mann namens Hector Garza vor ihr, sie mit einem Martini, er mit etwas rosig Fruchtigem.
    Erika stellte sich vor, schenkte sich aber die Frage nach den richtigen Namen ihrer Gegenüber. Was hätte das auch für einen Sinn gehabt? Sie war nicht hier, um Tatsachen festzustellen, sondern um einen Rat zu geben. Mit gespieltem Ernst hörten sie ihrer langsamen, gemessenen Belehrung zu. Sie befanden sich auf deutschem Boden, und der Inhalt ihres Auftrags war bekannt. Daher war es keine Schande, wenn sie ihr Vorhaben aufgaben. »Das wird doch sicher auch Ihr Abteilungsleiter Alan Drummond einsehen, oder?« Mit ihrer Frage erntete sie verwirrte Blicke. »Entscheidend ist«,

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