Die Spionin im Kurbad
schmeckt gesund. Du solltest es mal probieren. Aber jetzt bringe ich dich erst mal zu ihm zurück.«
» Ich wäre dir sehr dankbar dafür, Sina.«
Wirklich ein höflicher Kerl.
Aber als ich ihn zu der Stelle brachte, wo ich den Freiherrn verlassen hatte, waren weder er noch Altea und ihre Mama zu finden.
» Was machen wir denn jetzt?«
» Jetzt zeige ich dir mein Revier, damit du lernst, dich hier zurechtzufinden.«
» Ja, gut. Aber der Freiherr wird sich sorgen.«
» Dann werden wir Altea bitten, dich zu ihm zurückzubringen.«
» Versteht die das?«
» Die ist ziemlich verständig. Komm, folg mir.«
Von Kriegern und Heiligen
Ich führte Bouchon über die Straße und zeigte ihm den Einschlupf zur Goldenen Traube. Hier versammelte sich inzwischen schon eine Reihe Gäste, die dort ihr Mittagsmahl einzunehmen pflegten. Es roch herrlich. Einen Augenblick blieb ich stehen und sog den Duft von gedünstetem Fisch, gebratenem Fleisch und herzhaften Würsten auf. Ein Tablett mit allerlei Käse stand unbewacht auf einem Tisch unter der Markise. Der Camembert rief meinen Namen. Laut und deutlich. Ein kühner Sprung, ein Tatzenschlag, schon rollte er mir zu Pfoten. Ich packte ihn und trabte schnellstmöglich zur Hecke. Bouchon hinter mir her.
» Das tut man aber nicht!«, mahnte er mich, als ich auf der anderen Seite angekommen war und einen herzhaften Bissen von dem Käse nahm.
» Nein, du vielleicht nicht, Bouchon. Dir wird so etwas vermutlich auf deinem Teller serviert. Aber ich habe drei Kinder zu versorgen, da muss man nehmen, was man bekommt.«
Er tretelte mit den Vorderpfoten im Gras herum.
» Ja, ich bekomme mein Futter gereicht. Aber es ist streng verboten, etwas vom Tisch zu stibitzen.«
» Andere Leute, andere Sitten. Wenn sie mich erwischen, treten sie mich. Wenn nicht, gehört die Beute mir.«
» Sie treten dich?«
Blanke Panik stand in seinen Goldaugen.
» Tja, Bouchon, die Sitten sind rau im Revier. Aber nun komm, meine Kinder haben Hunger.«
Ich konnte dem armen Kerl nicht helfen – das wahre Leben hatte er wohl noch nicht kennengelernt. Immerhin machte er mir jetzt keine Vorwürfe, sondern sah zu, wie die Kleinen sich die Bäuche vollschlugen, und ließ es anschließend gutmütig zu, dass sie ihm in den Nacken sprangen, ihn an den Ohren zupften und nach seinem Schwanz haschten.
Ich bekam auch noch ein paar Bissen von dem schönen cremigen Camembert. Danach streckte ich mich aus und genoss das Gefühl, einen wohlgefüllten Magen zu haben.
Nach einer Weile spürte ich an meinem Rücken einen weichen Pelz, hörte ein tiefes Brummeln und ein tiefes Schnaufen.
Ich schlief drüber ein.
Bouchon putzte sich – sehr gründlich. Aber er hatte auch ein wunderbares Fell – grau, dicht, weich und völlig ohne Löcher. Ich sah ihm zu und überlegte müßig, ob ich mich auch mal so gründlich waschen sollte. Vielleicht hier und da den Schorf von den kahlen Stellen wegbürsten und ein paar Kletten rauspolken. In der letzten Zeit hatte ich immer viel zu viel zu tun gehabt, als dass ich mich der gründlichen Körperpflege hätte widmen können. Aber es war wohl jetzt an der Zeit.
Ich begann mit der linken Flanke. Die Prellung dort war inzwischen verheilt, die Berührung tat nicht mehr weh.
» Wann wird mich deine Altea zu meinem Freiherrn bringen, Sina?«
Ich zog die Zunge ein und überlegte. » Wenn sie hier vorbeikommt. Wird sicher nicht lange dauern.«
» Gut. Vielleicht kommt auch Vincent und holt mich.«
» Der Neffe.«
» Mhm.«
» Ist der auch malad?«
» Ja. Zwar nicht außen herum, aber im Kopf.«
» Ach, erzähl mal.«
Ich putzte weiter und hörte zu. Das war eine gute Kombination.
» Ich bin seit vier Jahren bei dem Freiherrn. Er hat mich mitgenommen, als ich gerade anfing, selbstständig zu werden. Meine Mutter war eine Hauskatze in einem sehr vornehmen Heim. Ich war nie draußen gewesen – so wie deine Kleinen hier. Immer in warmen Zimmern und so. Na, jedenfalls, der Freiherr wohnt auch in schönen Zimmern, aber er hat noch einen kleinen Garten, in dem er gerne herumwuselt. Ich darf ihm dabei helfen. Doch über den Zaun bin ich nie geklettert. Obwohl ich eigentlich schon neugierig war. Wir sind auch manchmal gereist. Ich habe einen sehr bequemen Korb. Und so habe ich auch ein wenig von der Welt gesehen. Also, ich meine, andere Häuser und Gärten. Und andere Menschen. Nicht alle mögen Katzen, glaube ich. Ein paar haben immer mit mir geschimpft, selbst wenn ich gar nichts
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