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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gemacht habe. Aber getreten hat mich nie einer.«
    » Sind wohl ganz besondere Kreise, in denen du verkehrst.«
    » Ja, das sehe ich inzwischen auch so. Wir führen ein ruhiges Leben, der Freiherr und ich. Er liest mir gerne vor. Das bildet.«
    » Mhm.«
    » Aber letztes Jahr wurde es unruhiger. Da kam Vincent, sein Neffe, zu ihm. Den kannte ich vorher nicht. Er ist Offizier und war im Krieg.«
    Vom Krieg hatte ich gehört – klar, den Streit, der der Emser Depesche vorausging, hatte ich im Kurpark selbst beobachtet. Ich unterbrach das Putzen der rechten Flanke und erzählte Bouchon kurz davon. Er kannte die Zusammenhänge auch, und in seinen goldenen Augen glomm so etwas wie Begeisterung auf.
    » Du musst mir den Platz mal zeigen, wo sich der französische Botschafter Benedetti mit dem König getroffen hat.«
    » Kann ich machen. Aber was hast du davon?«
    » Vielleicht riecht man noch was davon. Es war ein historischer Augenblick.«
    » Für die Menschen vielleicht. Ich hatte damals Zank mit einem Kater um meine Reviergrenzen.«
    » Die Menschen zanken sich genauso um ihre Reviergrenzen. Nur dass es dabei häufig Tote gibt. Und Verwundete. Vincent ist verwundet worden, und er konnte lange Zeit nicht mehr sprechen. Das ist für Menschen ziemlich schlimm.«
    Ich mühte mich mit meinem Rücken ab. Da gibt es Stellen, an die man nur mit äußersten Verrenkungen drankommt. Aber nötig hatte der Pelz das dort. Richtig verfilzt war er geworden. Erst als er einigermaßen glatt war, fiel mir auf, dass Bouchon nun auch schwieg.
    » Er konnte nicht sprechen. Ist der auf den Mund gefallen?«
    » Was? Wer? Ach so, der Neffe. Nein, der hat eine Kopfverletzung erhalten. Aber die scheint einigermaßen geheilt zu sein. Nur viel reden tut er noch immer nicht. Ich denke manchmal, er will gar nicht sprechen. Er hat viel Schreckliches erlebt, hat der Freiherr mal gesagt.«
    Der graue Stopfen schien ein guter Beobachter der Menschen zu sein. Ich strich mir noch ein paar Mal über den Latz, fand einen kleinen Käsekrümel darin und entschied dann, dass ich Bouchon von dem Toten in der Badewanne erzählen wollte. Und über den bittersüßen Geruch.
    Er hörte aufmerksam zu – ein gutes Zeichen.
    » Ich glaube trotzdem nicht, dass der Freiherr was Falsches gegessen hat. Diese Gallenkoliken hatte er schon häufiger. Darum trinkt er ja Brunnenwasser. Es muss da keinen Zusammenhang geben, Sina. Auch der Mann in der Wanne könnte Mandeltörtchen gegessen haben. Und dazu noch was anderes. Oder er ist in dem Wasser ertrunken. Kann auch passieren, Wasser ist gefährlich.«
    Letzterem stimmte ich zu. Aber ertrunken war der Tote nicht. Seine Haare waren trocken gewesen.
    » Kann sein, dass es Zufall war. Es geht uns eigentlich nichts an. Nur weil mein Kind so ähnlich bittersüß gerochen hatte …«
    Schlapp!
    Bouchons Zunge fuhr über mein Gesicht, bürstete fest zwischen den Ohren – genau die Stelle, an die ich selbst nicht drankomme. Er bürstete gut und ausdauernd, und die Schatten in meinem Herzen wurden noch etwas kleiner.
    Dann setzte er sich vor mich und schnurrte.
    » Ist gut, Bouchon. Und danke.«
    » Hab ich ja nicht gewusst …«
    » Woher auch. So was passiert. Wären wir nicht so hungrig gewesen, hätte das Kleine nichts Böses gefressen. Und dass wir hungrig waren, war meine Schuld.«
    » Du hättest ein anderes Leben wählen können.«
    » Hätte ich, habe ich aber nicht. Und nun lass uns Altea begrüßen. Ich glaube, sie und ihre Mama sind gerade gekommen.«
    Sie saßen wieder auf der Terrasse unter dem schattenspendenden Birnbaum, eine Karaffe und Gläser auf dem Tisch. Altea holte aus ihrer Beuteltasche eine Tüte heraus und legte Gebäck auf einen Teller. Mama betrachtete ein buntes Blatt.
    » Seit wann sammelst du Heiligenbildchen, Mama?«
    » Ich sammle sie nicht, ich habe es vor der Kirche aufgelesen. Kitschig, nicht wahr?«
    Altea nahm es aus ihren Fingern entgegen.
    » Heilige Sancta Maria.« Dann kicherte sie. » Ob das den Glauben beschwingt?«
    » Würde man sie sonst ins Gebetbuch legen? Allerdings …«
    » Richtig. Das verrutschte Dekolleté der Maria lactans lässt den phantasievollen Wünschen unserer frommen Herren einen reichen Spielraum.«
    Sie legte das Blättchen auf den Tisch, und ich trat näher. Maunzte leise.
    » Oh, hallo, Sina! Hat der Quark geschmeckt? Sind die Kleinen munter?«
    » Mau!«
    Mama beugte sich vor und betrachtete mich. Mit höflich gesenkten Lidern. Gut erzogen, die Frau Gräfin. Noch

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