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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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mit meiner neuen Erkenntnis, schlenderte ich zu meinen Kindern und spielte eine heitere Runde Balgen mit ihnen.
    Zur Belohnung bekamen wir dann die Sahne.

Fragen, Tritte und Erinnerungen
    Am Nachmittag hatte ich mich von Olga Petuchowa ferngehalten, am Abend gelang mir das leider nicht.
    Der Käse aus der Goldenen Traube hatte meine Gelüste geweckt, und dumm, wie ich in meiner Gier nun mal war, hatte ich gehofft, dort noch mal eine solche Beute machen zu können. Das Zeug, das dort serviert wurde, war wirklich weit reichhaltiger als im Hause Germania, weshalb die heisere Opernsängerin wohl auch hier ihr Futter zu sich nahm. Sie saß im Garten mit zwei Herren zusammen, einer ein schmucker Offizier, der andere ein Herr mit schwarzer Augenklappe. Er trug einen weißen Anzug, was noch viel mehr seine schwarzen Haare und den dunklen Schatten auf seinem bartlosen Gesicht betonte. Es gab solche und solche Menschen – der hier gehörte zu den gefährlicheren unter ihnen. Auch wenn er nicht fauchte oder brummte, ging doch eine düstere Drohung von ihm aus, die er hinter einem höflichen Lächeln verbarg.
    Die drei parlierten français und hatten sich dicke Scheiben Braten auf die Teller gehäuft. Der Geifer sammelte sich in meinem Maul. Da einmal reinschlagen. Und dann die Soße auflecken! Ich war so gierig, dass ich näher und näher schlich, um zu prüfen, wann die Esser mal abgelenkt waren. Ein gewaltiger Fehler. Olga sah mich und trat zu. Und wie! Ich flog ein Stück in die Büsche und blieb benommen liegen. Meine Rippen jaulten. Ich unterdrückte das meine. Nicht dass sie noch mal hinterhertrat.
    Vorsichtig versuchte ich aufzustehen und mich zu verdrücken, aber jede Bewegung schmerzte. Also blieb ich erst einmal liegen und wartete, bis es ein bisschen besser wurde. Immerhin hatte es mich unter die Zweige eines Kirschlorbeers verschlagen, der schön dicht war. Durch die dunkelgrünen Blätter aber drangen dennoch der Bratenduft und das Geschwätz der Menschen. Ich schalt mich blöde und unbeherrscht, dass ich so hinter dem Futter her gewesen war. Schließlich hatte sich doch meine Lage seit der Bekanntschaft mit Altea gründlich zum Besseren gewendet. Ich musste wohl meine alten Gewohnheiten aufgeben. Bouchon hatte ja leider recht – in menschlicher Gesellschaft gehörte sich Futterstehlen nicht.
    Eine Weile schnurrte ich mir selbst besänftigend zu. Schnurren betäubte ein wenig die Schmerzen. Und als sie erträglich wurden, keimte die Neugier wieder auf. Die Nase streckte ich zwar nicht aus meinem Versteck, aber die Ohren spitzten sich. Man unterhielt sich über den Toten in der Wanne.
    Nach dem Essen war nämlich ein offizieller Mensch erschienen. Menschen – so hatte ich beobachtet – gab es gewöhnliche und amtliche. Die amtlichen trugen Uniformen, also Kleider mit allerlei Schnickschnack darauf, der ihre Funktion deutlich machte. Überwiegend prunkten sie mit Gold und Silber und Sternen und Streifen, und sie achteten peinlich darauf, dass man sie mit ihrem Rang anredete. Manche knallten auch mit den Hacken. Warum auch immer sie das amtlich fanden. Ich hatte auch mal versucht, das mit meinen Hinterpfoten nachzumachen, und dabei festgestellt, dass man dabei den Hintern zusammenkneift. Vielleicht durften Amtliche keine Verdauung haben. Aber das war nur Spekulation.
    Jedenfalls ließ sich dieser Offizielle mit Herr Kurkommissar anreden und stellte zahlreiche Fragen nach dem Toten. So erfuhr auch ich eine ganze Menge über ihn. Er hieß Louis Fortunat de Bisconti und war als Vertreter eines Fabrikanten optischer Geräte bekannt. Optische Geräte, auch das lernte ich hierbei, waren Gegenstände, mit denen die Menschen ihre schwachen Augen aufrüsteten, um besser in die Ferne oder in die Nähe zu sehen. Fernrohre waren für die Weite, Mikroskope für das Betrachten von Kleingetier gedacht. Das fand ich einigermaßen spannend. Die Menschen wussten also um ihre körperlichen Nachteile und versuchten sie mit Geräten, so gut sie konnten, auszugleichen. Brillen waren auch solche optischen Hilfsmittel.
    Aber neben dieser Exkursion in die Technik wurde auch bekannt, dass Bisconti seit drei Wochen ein Zimmer im Gasthof zur goldenen Traube bewohnte, jeden zweiten Tag ein morgendliches Bad im Kurhaus nahm, häufig Emser Pastillen lutschte, um seine angegriffene Kehle zu kurieren, regelmäßig im Kurpark seinen Spaziergang machte und sich abends hin und wieder mit einigen Herren zum Kartenspiel traf oder Damen zum Kurkonzert

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