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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Noellke
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gleich mit. Auf diese Weise kann uns jemand das eine oder andere „zum Schlucken“ geben, was er in normalen Worten niemals so mitteilen würde. Zum Beispiel darf er sich hemmungslos selber loben und andere schlecht aussehen lassen. In einem Bonmot darf, ja muss er frecher und greller sein, zuspitzen und übertreiben – ohne dass wir ihm das übelnehmen. Denn es kommt ja darauf an, dass die Sache formal stimmig ist. Und wenn es die Form verlangt, jemanden als „dumm“ zu bezeichnen, weil vorher von den „Schlauen“ die Rede war, dann denken wir eben nicht: Das war jetzt eine Beleidigung, sogar dann nicht, wenn wir selbst angesprochen sind.
    Per Steinbrück und die Nichtwähler
    Der ehemalige Finanzminister Per Steinbrück äußerte sich vor der Bundestagswahl 2009: „Diejenigen, die so schlau sind, dass sie nicht zur Wahl gehen, werden hinterher von Leuten regiert, die noch dümmer sind als sie.“
    Die nötige Leichtigkeit
    Zwar können Bonmots auch von ernsten Dingen handeln (wie die niedrige Wahlbeteiligung), doch signalisieren sie immer, dass sie nicht so bitter ernst gemeint sind. Man soll über sie schmunzeln, sie aber nicht auf die Goldwaage legen. Das unterscheidet Bonmots von den Kernbotschaften (→ S. 123, „Simple Kernbotschaften“), die ja formal ebenso ausgefeilt sein können – mit ganz ähnlichen Stilfiguren wie Steigerung, Gegensatz oder Parallelführung.
    Ein Bonmot soll die Zuhörer amüsieren und zugleich zeigen, wie entspannt und gewitzt man ist. Das macht Bonmots ja so geeignet, den Zuhörern zu vermitteln: Ich bin souverän. Wer mit solch geschliffenen Formulierungen um sich wirft wie mit Federbällen, der offenbart eben jene Mühelosigkeit, die wir mit Souveränität in Verbindung bringen.
    Achtung: Keine Bonmots bei ernsthaften Anliegen!
    Die Leichtigkeit eines guten Bonmots birgt auch eine gewisse Gefahr. Sie bringen sich in Verdacht, das Thema nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit anzugehen. Oder womöglich noch schlimmer: Ihre Zuhörer nehmen ein drängendes Thema nicht so schwer. Wer eindringlich vor dem Klimawandel oder der nächsten Finanzkrise warnen möchte, der sollte (vor deutschem Publikum zumal) auf Bonmots besser verzichten.
    Gegner und Konkurrenten durch den Kakao ziehen
    Dass die Worte nicht ganz ernst genommen werden, verschafft einem den Vorteil, dass man über seine Gegner und Konkurrenten ein paar unfreundliche Dinge loswerden darf, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Solange nur das Bonmot stimmig ist, dürfen Sie die anderen nach Herzenslust durch den Kakao ziehen. Oder doch nicht ganz? Für Bonmots gilt das Leichtigkeitsgebot und das gerät ins Wanken, wenn Sie allzu gehässige Spitzen auf Ihre Gegner abschießen.
    Bonmots bauen
    Bonmots gehören zur gesprochenen Sprache; ganz so geschliffen wie die Schriftsprache müssen sie also nicht sein. Die größte Wirkung entfalten sie, wenn es den Anschein hat, als wäre Ihnen die Formulierung eben erst eingefallen. Dabei dürfte die überwältigende Mehrzahl der Bonmots vorher zurechtgelegt worden sein, um sie bei passender Gelegenheit anzubringen.
    Wanderbonmots
    Manche bedienen sich frei aus der Vielzahl von „Wanderbonmots“, von denen niemand weiß, wer sie zuerst in die Welt gesetzt hat. Und so stehen sie nun der gesamten Menschheit zur freien Verfügung, die denn auch reichlich Gebrauch von ihnen macht. Ein bekanntes „Wanderbonmot“ lautet zum Beispiel: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“
    Allerdings geht man ein gewisses Risiko ein, dass die Klassiker und die anonymen Wanderer dem Publikum schon weithin bekannt sind undauch Verfremdungen wie „Der Köder muss dem Karpfen schmecken. Nicht dem Angler.“ von Kennern durchschaut werden. Dann nämlich kehrt sich der Effekt um und diejenigen, die selbst gelegentlich ein „Wanderbonmot“ auf der Durchreise abgreifen, halten Sie nicht für souverän, sondern für einfallslos.
    Daher ist das selbstgebaute Bonmot meist die bessere Wahl. Zumal die Anforderungen an das vermeintlich spontan geäußerte Wort gar nicht so hoch sind, wie man meint, wenn man die klassischen Bonmots einmal genauer betrachtet.
    Die Stilmittel: Paradoxon & Co.
    Viele gelungene Bonmots arbeiten mit einem Paradoxon. Das ist ein scheinbarer Widerspruch, der sich aber auflösen lässt und einen neuen, überraschenden Sinn enthüllt. „Um anständig leben zu können, muss man ein Schuft sein“, lautet ein Bonmot des Schriftstellers Alfred Lichtenstein.

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