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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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in die Vertikale und schleppt sich zum Eingang. Alles tut weh. Aber auch wirklich alles. Man wird eben nicht jünger. Am schlimmsten ist der Kopf. Das Letzte, an das er sich erinnern kann, ist eine selbst geschmiedete Flasche Bärlauchlikör von seinem Assistenten Heini. Der Rest ist Dunkelheit. Er öffnet die Tür. Im Garten steht Horst. In der Hand hält er einen Transportkoffer für Schlachtvieh unter zehn Kilo.
    «Komm schon, Carsten. Was soll das. Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.» Er drängelt sich vorbei.
    «Red kein Blödsinn. Du hast jede Menge Zeit. Genau genommen ist Zeit das Einzige, was du noch hast. Wenn auch nicht mehr viel.»
    «Ich hab dir was mitgebracht.»
    «Aspirin?»
    «Das heißt Acetylsalicylsäure. Aspirin gibt’s nicht mehr.»
    «Warum eigentlich nicht. Tempotaschentücher gibts doch auch noch.»
    Horst würdigt ihn keiner Antwort. Er geht zum Tisch und stellt den Reisekäfig ab. Er greift in die Gesäßtasche seiner speckigen Hose, kramt ein paar Arbeitshandschuhe hervor, zieht sich die Dinger an und nestelt vorsichtig am Verschluss des Käfigs. Kaum, dass er den Riegel angehoben hat, wird die Tür von innen aufgestoßen und ein fetter, felliger, schwarzweißer Ball grätscht in die Freiheit. Wie es scheint, handelt es sich um eine Katze. Genaueres lässt sich zunächst noch nicht sagen, denn das Vieh geht sofort zum Angriff über. Carsten wirft sich hinters Bett und sucht Deckung.
    «Was ist das?»
    «Du meinst: Wer ist das!»
    «Egal, schaff es raus!»
    «Geht nicht.»
    «Warum nicht?»
    «Sag ich dir gleich. Komm wieder hoch.»
    «Nicht ohne Grund!»
    «Ich möchte dir Helmut vorstellen.»
    «Helmut?»
    «Helmut! Helmut Kohl, um genau zu sein.»
    «Helmut Kohl ist eine Katze? Ich dachte, der ist tot.»
    «Kater.»
    «Ich brauch keinen Kater. Ich hab schon einen, und zwar einen gewaltigen. Außerdem bin ich für Kleintierhaltung nicht geschaffen. Soll sich ein anderes Herrchen suchen.» Carsten lugt vorsichtig über die Kante seines Bettes. Das erbarmungslose Licht des Tages lässt kleine Glühwürmchen auf seiner Netzhaut explodieren. Helmut steht breitbeinig über der alten schmiedeeisernen Pfanne auf dem Beistelltischchen und frisst seelenruhig die Bratkartoffelreste vom Vortag. Carsten geht erneut in Deckung. Horst hat die Handschuhe zwischenzeitlich ausgezogen und in den Käfig geworfen.
    «Helmut braucht kein Herrchen . Du bist sein neuer Bewährungshelfer .»
    «Bewährungshelfer? Für einen Kater? Was hat er denn ausgefressen?»
    «Bewaffneter Raubüberfall.»
    «Bewaffneter Raubüberfall? Bewaffnet? Ein Kater?»
    «Und ob! Wirst du noch merken.»
    Carsten hört, wie die Tür geöffnet wird und kurz darauf wieder ins Schloss fällt. Es ist totenstill im Raum – bis auf das schwere Atmen des Katers.

iv Erwachen der Ordnungskräfte
    Im Polizeipräsidium Münster ist die grüne Hölle los. Kurzatmig quält sich Erkan Ederim die Nottreppe hoch in den dritten Stock. Die Bombe vom Vorvortag hat neben diversen Sachwerten auch ein Erdkabel des Münsteraner Stadtkonzerns mit ins Verderben gerissen. Zurzeit läuft alles über die zentrale Notstromversorgung und die reicht für die Kaffeemaschine und ein paar Desktoprechner, nicht aber für den Aufzug.
    Erkan Ederim ist der stellvertretende Direktionsleiter der Abteilung «Objektschutz und Gefahrenabwehr», ein Job, den er im Moment lieber gegen einen anderen tauschen würde, vorzugsweise mit besserer Bezahlung.
    Seit fünfzehn Jahren ist das Polizeipräsidium Münster im Gebäude der ehemaligen Bezirksregierung am Domplatz untergebracht. Ein Umzug, der zum Teil mit der Restrukturierung weiter Aufgabenbereiche der Ordnungskräfte, zum anderen mit dem Wegfall zahlreicher administrativer Aufgaben der Landesregierung zusammenhing. Jetzt ist das Präsidium innerhalb der Promenadenmauer und in Sicherheit, denn vor den Toren von Münster-Zentral wütet der Mob, das ehemalige Kreuzviertel ist quasi entmilitarisierte Zone, den Bereich außerhalb des zweiten Rings kann man nur noch mit gepanzerten Einsatzwagen befahren. Die Fassade des Präsidiums ist bei der Explosion am Vorvorabend glimpflich davongekommen, denn in wahrscheinlich weiser Voraussicht wurde die dem Domplatz zugewandte verglaste Front durch große Platten aus gehärtetem Stahl ersetzt. Das gibt der Sache zwar etwas Martialisches, andererseits korrespondieren die rostigen Platten auf gekonnte Weise mit den hellen Sandsteinquadern des Münsteraner Doms.
    Schon auf dem Flur kommt ihm

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