Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
Bett zusammen und legt den Kopf auf die verschränkten Arme. Sie ist zu spät gekommen. War im entscheidenden Augenblick nicht zur Stelle. Kein letzter Blick, kein letzter Kuss. Kein Abschied.
Tausend Jahre später ist der Druck in ihrem Kopf so weit gewichen, dass sie den Versuch wagen kann, aufzustehen. Sie hebt den Kopf von den Armen und sieht in die Augen von Carsten, der sie besorgt mustert.
«Bist du wieder wach, Zuckerschnecke? Ich habe mir schon Sorgen gemacht.»
«Du hast dir Sorgen gemacht? Du?»
Mandy-Ursula stiert Carsten an wie das Menetekel an der Wand. In ihrem Kopf ist weißes Rauschen.
«Na ja, du hast da gelegen wie tot. Nicht mal Helmut hat einen Ton gesagt. Da habe ich mir Sorgen gemacht.»
Mandy-Ursula unterdrückt die aufkeimende euphorisch-sentimentale Regung und greift nach Carsten Handgelenk. Der Puls ist niedrig, aber das Herz scheint gleichmäßig und kräftig zu schlagen. Carsten bemerkt Mandy-Ursulas verwirrten Blick.
«Was ist? Ist es schlimm? Geht es jetzt zu Ende mit mir?»
Mandy-Ursula antwortet nicht. Sei legt ihr rechtes Ohr auf seinen Brustkorb. Ein ruhiger, zwar flacher, aber ebenfalls gleichmäßiger Atem. Die pfeifenden Geräusche vom Vorabend sind verschwunden. Schließlich beugt sie sich über Carstens Kopf und schaut ihm in die Augen. Ein ruhiger, klarer Blick. Das Gesicht ist müde und abgezehrt, aber die Gesichtsfarbe unter den hellen Stoppeln ist normal. Sie will sich auf die Bettkante setzen, aber dann stockt sie in der Bewegung und beugt sich noch einmal über Carstens Wangen. Ein dunkler Schatten liegt unter dem weißen Dreitagebart. Mandy-Ursula kneift die Augen zusammen, aber es gibt keinen Zweifel: Der Teil der Barthaare, der in der Nacht gewachsen ist, ist schwarz. Sie nimmt Carsten Hände, noch faltig zwar, aber auch dort schon regeneriert sich Haut. Carsten hat die Untersuchung mit Sorge verfolgt.
«Ist es soweit. Müssen wir uns verabschieden?»
Mandy-Ursula hat den ersten Schock überwunden und kann schon wieder lächeln.
«Ruhig bleiben, Klunckerchen. Wie es aussieht, wird unser Abschied noch eine Weile auf sich warten lassen. Eine sehr lange Weile, wenn ich mich nicht gerade täusche.»
Carsten braucht eine Weile, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.
«Du meinst, das hätte auch bei mir …»
«Der Prozess der Flüssiggewebeweitergabe hat scheinbar eine ausreichend große Menge an Bio-Enforcement-Molekülen zurückgespült. Ja, ich glaube auch bei dir …»
«Dann bleiben wir also zusammen? Für immer? Wir müssen nur noch warten, bis Helmut gestorben ist und dann können wir …»
Mandy-Ursulas Stirn hat sich umwölkt.
«Was hast du gerade gesagt? Ich meine über Helmut und Sterben und so?»
«Na ja, nichts, ich dachte nur …»
Helmut ist lautlos wie ein Schatten aus der Küche aufgetaucht, auf das Bett gesprungen und steht zwischen Carsten und Mandy-Ursula auf der Decke. Sein massiger schwarzweißer Körper ist regungslos, die Schnurrhaare stehen steil von seinem Kopf.
«Das kannst du gleich wieder vergessen. Katzen und Menschen sind in großen Teilen genetisch baugleich. Wenn das bei dir geklappt hat, dann klappt es auch bei Helmut. – Nein, ich fürchte, das wird eine lange Reise zu dritt.»
Carsten lässt sich auf die Kissen zurücksinken, seine Stirn ist gerunzelt.
«Ist was, Klunckerchen?»
«Nein, äh, ja. Ich weiß auch nicht.»
«Was weißt du nicht?»
«Der Kater …»
«Was ist mit Helmut?»
«Also gerade eben, als du das gesagt hast, ich meine mit uns beiden und Helmut. Also, ich könnte schwören …»
«Was könntest du schwören?»
«Ich könnte schwören, der Kater hat gegrinst.»
Ende
Nachwort
Mit «Die Sprengmeister und der unheilige Gral» liegt mein nunmehr zweiter bescheidener Beitrag im Kampf gegen die deutsche Besinnungsliteratur auf dem Tisch. Hauptquellen der Inspiration waren und sind die unablässigen (und zugegebenermaßen äußerst erfolgreichen) Bemühungen unserer nationalen und internationalen Gaunereliten, möglichst viel von allem Möglichen zusammenzuraffen und zu verjuxen, koste es (die armen Schlucker auf diesem Planeten und unseren Planeten selbst), was es wolle. Unterstützt wurde (und wird) mein Anliegen von meiner Lieblingsinternetplattform Wikipedia , deren unermüdlichen Machern ich hiermit ausdrücklich danken möchte. Also, wenn jemand etwas findet, das ihm unmoralisch bekannt vorkommt: Nicht ärgern, wahrscheinlich habe ich es bei Wikipedia geklaut. Ein Beispiel? Gerne! Die
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