Die Spucke des Teufels
besser als ein Eheleben. Solches
Glück genießen heutzutage indes nur Französinnen. Der deutsche Adel liebt es,
sich mit deren Sprache zu umgeben. Es heißt, beim Preußenkönig müssen alleweil
sogar die Stallknechte Franzosen sein.
»Wie viel bin ich schuldig?«, unterbricht die Prinzessin
Lisbeths Gedanken und tupft ihre geröteten Lippen mit einem schneeweißen
Batisttüchlein ab.
»Einen halben Gulden, wenn’s recht ist, Eure Majestät«,
sagt Lisbeth. So viel hätte der Ochsenwirt auch verlangt.
»Oh, das ist preiswert!«, lacht die Prinzessin. »Gib er
ihr einen Taler«, kommandiert sie mit einem Wink zum Major hin, der unterdessen
seinen Platz neben der Tür wieder eingenommen hat. Die neue Höflichkeit des
Adels gilt offenbar nicht gegenüber dem Militär.
Der Kreutzer schlägt die Hacken zusammen, dass sein Wanst
wabbelt, zieht eine Kassette aus dem Reisegepäck und fummelt mit einem winzigen
Schlüssel daran herum.
»Attends!«, ruft die Prinzessin, hebt die Hand, als wolle
sie einer Armee Einhalt gebieten, sinniert vor sich hin, verzieht ihr Mündchen
zu einem Engelslächeln. »Wäre es möglich, Madame, en retour wieder bei Euch
vorbeizukommen, zu Drei König vielleicht? Und meine liebe Freundin Margarete
von Hannover mitzubringen? Auch sie liebt die ländliche Cuisine und ich möchte
ihr und ihrer Familie ein originelles Präsent machen. Es werden, wie ich
schätze, gesamt zehn Personen sein.«
Lisbeth steigt alles Blut in den Kopf. »Sehr gern, Eure Majestät.«
»Doch Ihr werdet absolute Diskretion wahren, nicht wahr?
Ihr schwört es bei Gott?«
»Ich schöre es bei Gott!«, versichert Lisbeth und bekreuzigt
sich dreimal hintereinander.
»Bon! Ich zahle naturellement im Voraus. Zehn Personen,
das wären zehn Taler. Nein, attendez! Vielleicht könntet Ihr noch eine Couverture
für den Tisch besorgen? Einfaches Leinen und zwölf passende Servietten? Das
Geschirr bitte genauso, wie ich es soeben hatte. Das ist allerliebst.«
»Sehr gern, Majestät!«
»Das möchten gut dreißig Taler sein, nicht wahr?«
Lisbeth schweigt. Nur wer sich dumm stellt, kommt gut
durchs Leben, hat die Mutter immer gesagt.
Die Gesellschafterin nickt unbestimmt. Die vier Leibgardisten,
die sich entlang der Wand aufgereiht haben, starren auf die Dielen.
»Zahl er sie aus!«
Der Kreutzer öffnet gehorsam die Kassette und zählt laut:
»Eins, zwei, drei …« Die Münzen scheppern eine nach der anderen auf die
Tischplatte.
»Un, deux, trois …«, die Gesellschafterin muss mitzählen.
»Trente«, murmelt sie endlich.
Dreißig Taler! Lisbeth kann ihr Glück kaum fassen.
Noch Stunden nachdem die Gäste abgereist, die Barrikaden
mit den preußischen Wimpeln verschwunden sind, mustert Lisbeth die Münzen mit
dem bekrönten FR in der Mitte, lässt sie durch die Finger in die Geldschatulle
rieseln, nimmt sie wieder heraus, zählt nach. Wirklich, es sind dreißig Taler!
Alles für eine Suppe aus schnöden Kartoffeln, ein Tischlaken aus Leinen und ein
paar – Servietten. Was eine Art Latz sein muss. Amalie von Preußen kennt
die Preise nicht und sie kann nicht rechnen.
Aber Lisbeth kann rechnen. Da wird viel Geld übrig bleiben
und sie kann sich wieder Hühner kaufen. Viele Hühner und einen Hahn. Sie kann,
wenn sie einen billigen Anbieter findet, sogar ein halbes Schwein erstehen. –
Andererseits, warum sollte sie? Wäre das Geld nicht besser angelegt, wenn
Lisbeth eine der Kammern für vornehme Gäste herrichtete, damit diese nicht nur
bei ihr essen, sondern auch nächtigen? Mit Bettwäsche aus Kattun! Doch wer
solch vornehme Gäste hat, braucht auch ein würdigeres Witwenkleid als das, was
Lisbeth jetzt am Leib hat. Ja, sie wird sich eines beim Schneider in Goch
bestellen, schlicht und aus Nessel, aber mit einer Häkelspitze am Ausschnitt.
Und Biesen am Saum. – Fleisch für die Suppe hat Lisbeth sowieso genug.
Sie ordnet die Taler auf der Tischplatte zu einem Drudenfuß,
zündet eine Kerze an und vertieft sich in das Blinken und Gleißen.
Die Mutter fährt strahlend heraus: »Glückwunsch, mein
liebes Kind!«
Sie hat einen guten Freund mitgebracht, Siegfried von
Xanten, den mutigen Drachentöter, Eroberer des Nibelungenhorts und Bezwinger
der Sachsen. Er lässt sich auf die lange Bank fallen, fasst ächzend an seine
Lenden und ordert einen großen Becher Bier. Siegfried ist von jeher ein Riese,
aber alt und schwach geworden über die Jahrhunderte. Seine hürnerne Haut
knittert wie die
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