Die Spur der Hebamme
Gespräches vorausgeahnthatte, traf sie ihre eigenen heimlichen Absprachen – hinter Friedrichs Rücken, aber zu seinem Schutz. Sein Bruch mit dem treulosen Vetter sollte endgültig sein.
»Schaut mich nicht so vorwurfsvoll an, Christian«, meinte Dietrich, während er Siegelwachs auf das Pergament tropfen ließ. »Politik ist ein schmutziges Geschäft. Heute werden hier Dutzende solcher Briefe geschrieben und in alle Lande geschickt. Diesen hier bringt zu meinem Bruder.«
Er drückte seinen Ring in das Wachs und reichte Christian den Brief. »Es tut mir leid, dass ich Euch sogleich wieder auf die Reise schicken muss. Doch die Zeit drängt. Die Kunde muss unter die Leute, es darf für den Kaiser kein Zurück geben, kein Einlenken, keine Versöhnung mit dem Löwen. Sonst bekommen wir Zustände im Land, die uns allen zum Schaden gereichen.«
In den Stallungen herrschte reger Betrieb. Offenkundig wurden zeitgleich mit Christian etliche Boten losgeschickt, um das Gerücht vom angeblichen Kniefall des Kaisers zu verbreiten.
Was wird nun auf uns zukommen?, überlegte Christian, während er sein Pferd zurück über die unwegsamen Alpenpässe trieb. Doch er kannte die Antwort bereits.
Auf dem harten Ritt nach Meißen durfte er sich nicht einmal Zeit für einen Abstecher in sein Dorf nehmen, um zu erfahren, dass Marthe wohlauf war und ihm einen kräftigen, gesunden Sohn geboren hatte.
Als er endlich den Burgberg erreichte, wurde er sofort zu Otto vorgelassen. Der rollte das Pergament auseinander und überflog es. Dann zeichnete sich Triumph auf seinem Gesicht ab, und er sagte genau die Worte, mit denen Christian gerechnet hatte: »Die Löwenjagd hat begonnen! Stellt mir Truppen, Christian, wir ziehen in den Krieg!«
Nachbemerkungen
Dieses Buch erzählt die Geschichte weiter, die ich in meinem Roman »Das Geheimnis der Hebamme« begonnen habe. Als ich mich vor einigen Jahren an das Abenteuer wagte, in Romanform die Geschehnisse um die Siedlerzüge in die Gebiete östlich von Saale und Elbe, die ersten Silberfunde im Erzgebirge und die Entstehung der künftigen Stadt Freiberg niederzuschreiben, merkte ich bald, dass ein oder auch zwei Bücher dafür nicht reichen würden.
Die Besiedlung des Ostens im 12. Jahrhundert war eine gewaltige Umwälzung. Nach Meinung von Historikern zogen damals 200 000 Menschen gen Osten, um in der Fremde Land urbar zu machen und sich ein besseres Leben aufzubauen. Was sie dafür auf sich nahmen, können wir heute nur schwer nachvollziehen.
Als 1168 in einem der so entstandenen Dörfer in der Mark Meißen, das nach dem Anführer der Siedler den Namen Christiansdorf erhielt, Silbererz von außerordentlicher Qualität gefunden wurde, stellte dies einen Wendepunkt in der sächsischen Geschichte dar. Heute noch verkünden die Freiberger mit Stolz, dass das Freiberger Silber und die nachfolgenden Funde im Erzgebirge den legendären Reichtum der sächsischen Herrscher begründeten.
In weniger als zwanzig Jahren wurde aus dem verlassenen Weiler im Dunklen Wald eine Stadt – einevor allem für mittelalterliche Verhältnisse rasante Entwicklung, in deren Folge nicht zuletzt auch die Siedler, einstige Knechte, lernen mussten, Bürger zu werden.
Dies alles geschah vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung vieler deutscher Geistlichen und Fürsten, darunter auch der Meißner Markgraf Otto von Wettin und seine Brüder, mit dem mächtigsten Mann nach Kaiser Barbarossa – Herzog Heinrich dem Löwen.
Die Quellen zum 12. Jahrhundert sind rar und nicht selten widersprüchlich. Trotzdem habe ich mich bemüht, so viel wie möglich von dem, was wir heute darüber wissen, diesem Buch zugrunde zu legen. So sind zum Beispiel die Rezepturen Marthes an die Medizin der Hildegard von Bingen angelehnt, einer Zeitgenossin Barbarossas.
Den bekannten Fakten entsprechen sowohl die Einzelheiten zur Entstehung Freibergs als auch die Teilnahme der hier vorkommenden historischen Persönlichkeiten an Hoftagen oder kriegerischen Auseinandersetzungen.
Einige schriftstellerische Freiheiten habe ich mir allerdings herausgenommen, über die ich den Lesern Rechenschaft schulde.
Konrad, der Sohn von Dietrich, dem Markgrafen der heutigen Niederlausitz, ist tatsächlich bei einem Turnier umgekommen. Allerdings geschah das 1175 und nicht wie hier dargestellt 1174. Doch wie geschildert wurde Konrad mit Verweis auf den Kirchenbann zunächst ein christliches Begräbnisverweigert. Dietrich, Otto und ihre Brüder mussten zu
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