Die Spur der Hebamme
Atem,trank dankbar einen Schluck, den ihr Marthe einflößte, und flüsterte dann: »Sohn, hol einen Priester, wenn sich einer findet, der bereit ist, einer weisen Frau die Sterbesakramente zu gewähren.«
Christian wechselte bestürzt einen Blick mit Marthe, die stumm nickte. Dann stand er auf. Doch bevor er gehen konnte, krallte Josefa ihre Hand in seinen Ärmel und hielt ihn noch einmal zurück.
»Nehmt euch in acht«, stieß sie hervor. »Jetzt kommt die Zeit der Feigheit und der Lügen, die Zeit der Verräter …«
Dann schloss sie ihre Augen.
Christian schickte Lukas am nächsten Morgen zurück ins Dorf, damit sich seine Männer nicht länger um ihn und Marthe sorgten. Er selbst ritt mit Konrad und Marthe erst zurück, nachdem er für Josefas christliches Begräbnis gesorgt hatte.
Das Erste, was sie bei ihrer Ankunft erfuhren, war, dass die Dorfbewohner anstelle von Jonas den Tuchhändler zu ihrem Dorfschulzen gewählt hatten.
Die Letzten Glücklichen Tage
Es schien, als wollte die Sommersonne mit der jungen Braut um die Wette strahlen.
Und Marthe fand, dass sie nach all den bedrohlichen Nachrichten und schlimmen Ereignissen der letzten Monate ruhig einmal wieder glückliche Gesichter in Christiansdorf gebrauchen konnten.
Immerhin, die neuen Bergleute und Schmelzer aus dem Harz waren unter Geros Führung wohlbehalten eingetroffen und hatten bereits ihre Arbeit aufgenommen. Und auch die Ernte versprach trotz des langen Winters gut auszufallen, sollte nicht noch Dauerregen oder ein Unwetter die Saat zerstören, die bei dem günstigen Wetter der letzten Wochen kräftig herangewachsen war.
Manchmal schien es Marthe, als ob diese schönen Sommertage ein letztes Atemholen vor dem großen Übel waren, das auf sie zukommen sollte. Eine Gnadenfrist.
Doch sie verscheuchte den unheilvollen Gedanken. Den Tag von Karls Hochzeit wollte sie nicht durch Grübeleien verderben.
Das bevorstehende Fest hatte im Dorf als Gesprächsthema sogar die aufsehenerregende Neuigkeit verdrängt, dass nun der leibhaftige Sohn eines Markgrafen unter ihnen lebte und von Christian zum Ritter ausgebildet werden sollte.
Johanna und Marie hatten für die fünfzehnjährige Agnes, ihre künftige Schwägerin, einen Brautkranz aus leuchtenden Sommerblumen geflochten. Sie trug ein Kleid aus kornblumenblauem Tuch, das ihr Vater beim Gewandschneider hatte machen lassen. Der Obersteiger verdiente gut an der reichen Silberausbeute und konnte es sich leisten, bei den Handwerkern im Nicolai-Viertel eines in Auftrag zu geben, statt nur eine der Nachbarsfrauen zu bitten, etwas aus selbstgewebtem und waidgefärbten Stoff zurechtzuschneiden und zusammenzunähen.
Karl hatte für seine hübsche Braut einen silbernen Ring gefertigt, in den er ein verschlungenes Muster eingraviert hatte. Als Christian davon hörte, der von dem Geschick des jungen Schwarzschmieds für solch feine Arbeiten wusste, gab er bei ihm einen Kettenanhänger mit dem gleichen Muster in Auftrag und ließ ihn in dem Glauben, er wolle ihn für Marthe. Doch alsKarl und Agnes an diesem Morgen vor die Kirchentür getreten waren, damit Pater Bartholomäus sie vermählte, forderte Christian den Schmied auf, seiner jungen Braut das Schmuckstück anzulegen, das Marthe an einem schmalen Band befestigt hatte. Anschließend verkündete er vor dem versammelten Dorf, dass er dem Paar als Hochzeitsgeschenk das Land überließ, das einst Karls Vater – Marthes erstem Ehemann – gehört hatte.
Nun saßen sie an einer langen Tafel auf der Wiese vor Christians Haus und feierten mit dem halben Dorf.
Alle jene Siedler waren gekommen, die Christian vor sechs Jahren aus Franken gefolgt waren, um im Dunklen Wald Land urbar zu machen, viele Bergleute, dazu Handwerker und Kaufleute und alle, die sonst noch irgendwie mit dem Brautpaar oder seinen Eltern zu tun hatten.
Hiltrud hatte tagelang für das Fest gebraut und gebacken, ein paar Frauen, allen voran die Witwe Elsa, halfen ihr beim Kochen und Braten.
In der Mitte einer Festtafel saßen die Jungvermählten, neben ihnen auf einer Seite Christian und Marthe, Christians Ritter, seine Knappen Konrad und Jakob, die sich gut miteinander verstanden, Karls Schwestern sowie Jonas und Emma. Auf der anderen Seite hatten neben den Brauteltern der Pater, der Bergmeister und Meister Josef als neuer Dorfschulze Platz genommen. Für die anderen Gäste waren weitere Tische und Bänke aufgestellt. Zwei Spielleute, die Christian aus Meißen hatte kommen lassen,
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