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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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an.
    »Eine Bitte an Euch und Euren Gemahl war einer der Gründe, weshalb wir Euch hergebeten haben«, sagte er.
    Sein Lächeln erlosch, nun wurden seine Gesichtszüge ernst. »Ich werde den Kaiser auf seinem nächsten Italienfeldzug begleiten. Aber ich kann meine Markgrafschaft nicht unbeaufsichtigt lassen. Es gibt neue Unruhen mit den slawischen Stämmen an den Grenzen, und Herzog Heinrich lässt wieder einmal nichts unversucht, sie gegen mich aufzuwiegeln. Mein Sohn wird vor der Zeit erwachsen werden müssen. Deshalb habe ich Euren Mann ersucht, ihn als Knappen bei sich aufzunehmen und einen guten Kämpfer aus ihm zu machen.«
    Er rief seinen Sohn herbei, der mit ernster Miene abseits stand. »Verneige dich vor der Dame deines künftigen Ritters«, forderte er Konrad auf.
    Der Sechzehnjährige – das jüngere Abbild seines Vaters, schlank und schwarzhaarig – besann sich sofort und verbeugte sich ebenso vollendet wie zuvor Dietrich. »Dame Marthe, es wird mir eine Ehre sein, zu Eurem Haushalt zu gehören.«
    »Die Ehre ist ganz auf unserer Seite«, versicherte sie.
    Sie wechselte einen kurzen Blick mit Christian, der wohl ahnte, was sie dachte: Und deshalb war sie vor Angst fast gestorben! Wie herzlos von Otto, dem Boten nicht ein beruhigendes Wort zum Anlass seiner Order mitzugeben. Oder hatte der Markgrafsie bewusst dieser Ungewissheit ausgesetzt – als Warnung? Je länger sie darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien ihr das.
    Markgraf Otto bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, mit ihm zur hohen Tafel zu gehen. Nach ihnen nahm die gesamte Hofgesellschaft an den Tischen Platz, die in langen Reihen in der großen Halle aufgestellt waren. Ein Geistlicher, der ebenfalls an der hohen Tafel saß, sprach ein Tischgebet für alle. Dann trugen Diener und Mägde das Essen auf.
    Der junge Konrad übernahm sofort seine Pflichten als Knappe Christians und legte ihm und Marthe unter den strengen Blicken seines Vaters mit geschickter Hand Fleischstücke vor.
    Sie spürte, dass er verunsichert und zornig zugleich war. Wenn er von Ottos Hof, wo er bisher einem anderen Ritter als Knappe gedient hatte, zu Christian geschickt wurde, war das ein sicheres Zeichen dafür, dass sein Vater mit seinen Fortschritten nicht zufrieden war.
    Nun bediente er sie und auch Lukas, der neben ihr saß – jene beiden, die ihn vor dreieinhalb Jahren aus tödlicher Gefahr gerettet hatten, als die Spionin des Löwen ihn als Geisel genommen hatte. Marthe ahnte, dass Konrad immer noch nicht überwunden hatte, vor den Augen des gesamten Hofes hilflos in der Gewalt einer Frau gestanden zu haben, die ihm einen vergifteten Dorn an die Schläfe hielt, auch wenn er damals erst dreizehn Jahre alt gewesen war.
    Was mochte der Vorfall in ihm bewirkt haben?, grübelte sie, während sie dem Jungen ein aufmunterndes Lächeln schenkte, auf das er mit knappem, ernstem Nicken antwortete.
    Scham vor der vermeintlichen Schande? Angst vor Wiederholung? Oder Leichtsinn, um seinen Mut nun bei der erstbesten Gelegenheit zu beweisen?
    Der dunkle Schatten hinter Konrad – ein Spiel der flackerndenKerzen, Erinnerung daran, dass er um Haaresbreite gestorben war, oder Zeichen für drohendes Unheil?
    Markgraf Dietrich war ihrem Blick gefolgt und beugte sich ein wenig zu ihr hinüber. »Ich denke, die Anwesenheit meines Sohnes in Christiansdorf wird künftig dazu beitragen, möglicherweise unzutreffende Berichte über das Geschehen dort zu entkräften, wenn nicht gar zu verhindern«, sagte er im Plauderton.
    »Danke für Euer Vertrauen und Euren Schutz«, antwortete sie aus ehrlichem Herzen.
    Doch hinter Dietrichs gewohnt vollendeter Höflichkeit und seiner unverkennbaren Sympathie für Christian und sie fühlte Marthe mit ihren ausgeprägten feinen Sinnen, dass er voller Unruhe und Verzweiflung war – genauso wie Hedwig. Eine vage Ahnung überkam sie. Doch sie verbot sich, den Faden in Gedanken weiterzuspinnen. Wenn das stimmte, war Hedwig verloren, sollte je ein anderer Mensch davon erfahren.
    Zum Glück fiel nicht auf, dass sie kaum etwas aß. Von einer Dame wurde erwartet, dass sie nur mit zierlich gespreizten Fingern ein paar winzige Bissen nahm.
    Dies ist nicht meine Welt, dachte Marthe einmal mehr. Ich sollte dort unten sitzen, bei Susanne und den Mägden. Aber dann würde nichts und niemand sie auf Dauer vor Randolf und seinesgleichen schützen. Die Auszeichnung, dass sie an Markgraf Dietrichs Seite an der hohen Tafel sitzen durfte, machte klar, dass

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