Die Spur der Hebamme
gaben Proben ihres Könnens, ohne in dem Trubel allzu viel Beachtung zu finden. Nur der Gaukler, der mit bunten Bällen jonglierte, war von Kindern umringt, unter ihnen auch Thomas und die kleine Clara, die nun sehr zur Zufriedenheit ihres Bruders laufen konnte und juchzend versuchte, einen der Bälle zu fangen.
»Die Eheprobe«, schrie Kuno übermütig, und die Hochzeitsgästestimmten lautstark ein. Lächelnd füllte Marthe eine Schüssel und reichte den Brautleuten zwei Löffel.
»Nun löffelt die Suppe aus, die ihr euch eingebrockt habt«, zitierte sie die allbekannte Regel. »Wer den letzten Löffel voll erwischt, der hat in der Ehe das Sagen.«
Karl und Agnes tauschten einen verschmitzten Blick, dann begann jeder von ihnen hastig zu essen. Doch bevor sie auf den Grund kamen, zog Agnes die Schale an sich. Sie schob Karl zärtlich einen Löffel Suppe in den Mund, dann legte sie die Hände über die Schüssel. »Er hatte den letzten Bissen. Aber wir lassen noch etwas drin – man weiß ja nie«, erklärte sie. Die Gäste begannen zu johlen und zu protestieren.
»Das zählt nicht«, rief Kuno.
Jonas lachte. »Dann eben anders. Fang sie dir, Karl!«
Begeistert stimmten die Gäste in die Rufe ein und zogen das Brautpaar für das nächste Hochzeitsspiel von den Sitzen.
Agnes bekam zehn Schritte Vorsprung.
»Lauf, so schnell du kannst!«, feuerte Emma sie an. Agnes rannte los, aber es kostete Karl keine Mühe, sie einzuholen und seinen Fuß auf ihren zu stellen – zum Zeichen dafür, dass sie ihm von nun an untertan war. Unter dem Jubel der Dorfbewohner küsste Karl seine junge Frau und führte sie zurück zu ihrem Platz.
Marthe sah lächelnd zu Christian, der vermutlich gerade das Gleiche wie sie dachte. Sie freuten sich über das junge Glück – und sie hätten sich am liebsten davongestohlen, um in ihrer Kammer ihr eigenes zu genießen. Heimlich berührte Christian Marthes Hüfte, arbeitete sich unter dem Tisch zu ihren Schenkeln vor und streichelte sie. Genießerisch schloss Marthe für einen Moment die Augen.
»Ich würde dich am liebsten auf der Stelle nehmen. Wenn es sein muss, gleich hier auf dem Tisch«, flüsterte Christian ihr inder Gewissheit zu, dass ihn bei dem turbulenten Festtreiben niemand sonst hören konnte.
»Das gehört sich nun wirklich nicht für den Herrn des Dorfes«, rügte sie ihn leise, doch ihr sehnsüchtiges Lächeln sagte etwas anderes. »Ich verspreche, dass ich dich für deine Geduld belohne, wenn du bis zur Nacht wartest.«
»Die Liste meiner Wünsche wird lang sein«, raunte er ihr verschwörerisch zu.
»Ich werde sie alle getreulich erfüllen.«
Marthe schloss die Augen, und mit einem Mal stiegen Tränen in ihr auf. Wie lange noch mochte ihnen solches Glück vergönnt sein?
Die Spielleute begannen erneut, ihre Instrumente zu malträtieren. Nun wurden die Brautleute in einen großen Kreis gezerrt, und bald tanzten die meisten Dorfbewohner in einem wilden Reigen durcheinander.
Ausgelassene Bauerntänze standen einem Ritter und seiner Gemahlin natürlich nicht an, deshalb beschränkten sich Christian und Marthe darauf, den Tanzenden zuzuschauen und sich mit ihnen zu freuen. Erstaunt bemerkten sie, dass Kuno sich um Johanna bemühte, die ihr langes blondes Haar diesmal nicht zum Zopf geflochten hatte, sondern offen trug. Sie errötete, lächelte dem verwegenen Burschen, den sie schon seit ihrer Kindheit kannte, schüchtern zu und folgte ihm zum Tanz.
Bei Gott, sie wird bald zur Frau, dachte Marthe. Würde Christian zustimmen, wenn Kuno einmal um sie anhält? Johanna war ihre Stieftochter und Kuno ein angehender Soldat, der das Waffenhandwerk erst noch richtig lernen musste. Doch andererseits würden sie für das Mädchen bestimmt keine Verbindung mit einem Edelfreien verabreden können. Der Herkunft nach war sie eine Bauerntochter und auf dem Weg, auch eine rechtgute Heilerin zu werden. Und Kuno war schon immer ebenso tapfer wie loyal gegenüber Christian gewesen.
Marthes Blick wanderte weiter zu Lukas, der zwei Plätze neben ihr saß. Der Blondschopf starrte finster vor sich hin, schien nichts von dem wahrzunehmen, was um ihn herum geschah, und war völlig in düstere Gedanken verstrickt.
Sie ahnte, was in ihm vorging. Christian hatte zugestimmt, Lukas’ Braut für eine Weile ins Dorf einzuladen. Aber Lukas hatte sich geweigert, sie schon zu dieser Hochzeitsfeier zu holen, um sie nicht noch ausdrücklich an ihre bevorstehende unfreiwillige Verbindung zu
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