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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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erinnern.
    Bald würde Pater Bartholomäus das Brautbett für Karl und Agnes segnen. Lukas fing Marthes Blick auf, erhob sich brüsk und ging in Richtung des Hurenhauses, das vor ein paar Wochen fertig geworden war.
     
    Lukas hatte reichlich getrunken. Doch statt die finsteren Gedanken zu vertreiben, hatten der Wein und der Anblick des unverkennbar glücklichen jungen Hochzeitspaares nur bewirkt, dass ihm die Szenen nur noch deutlicher vor Augen standen, die er sich seit Monaten in seinen düstersten Stunden immer wieder ausgemalt hatte.
    Karls junge Braut würde bestimmt nicht vorwurfsvoll aufschreien oder in Tränen ausbrechen, wenn sich ihr Mann heute Nacht zu ihr legte. Ihm war weder das schüchterne, aber glückliche Lächeln entgangen, das Agnes ihrem frischgebackenen Ehemann schenkte, noch der bewundernde Blick Johannas, als Kuno sie zum Tanz holte. Und auch nicht die verstohlenen Zärtlichkeiten, die Christian und Marthe austauschten.
    Sicher, Ehe und Liebe waren zwei grundverschiedene Dinge, eine Heirat sollte die Eheleute zuallererst in Pflichterfüllung miteinander verbinden. Aber konnte er nicht wenigstens etwasFreundlichkeit von der Braut erwarten, die ihm aufgezwungen wurde?
    Heftiger denn je quälte ihn der Gedanke, wie er sie in der Hochzeitsnacht dazu bringen sollte, ihn freiwillig in sich aufzunehmen. Er wusste, dass die meisten Männer seines Standes keinen Gedanken daran verschwenden würden. Die Frau hatte im Brautbett gefälligst ihre Pflicht zu erfüllen – und wenn nicht bereitwillig, musste sie eben gezwungen werden. Doch genau das wollte er sich lieber nicht vorstellen.
    Mit Geduld und zärtlichen Worten konnte er diese Frömmlerin nicht umstimmen, dessen war er sich sicher.
    Sollte er ihren Beichtvater bitten, sie zu ermahnen, ihrem Vater und ihrem künftigen Mann Gehorsam zu erweisen, so wie schließlich auch er seinem Vater gehorchen musste?
    Sollte er ihr Wein oder gar einen von Marthes Betäubungstränken einflößen, damit sie ihre Ängste und Vorurteile vergaß? Oder selbst trinken, bis ihm gleichgültig war, wer in seinem Bett lag?
    Manchmal, in seinen düstersten Momenten, sah er sich in seiner Phantasie, wie er sie mit seiner überlegenen Kraft dazu zwang, ihre Schenkel zu spreizen, während sie schrie und um sich schlug, und er verabscheute sich dafür.
    Jetzt konnte nur noch eine seine Dämonen vertreiben: Kathrein, eine üppige junge Hure mit blonden Locken und einem hübschen Lächeln, die ihn als Stammkunden empfing und zu mögen schien. Ihn und das Geld, mit dem er sie für ihre Dienste entlohnte.
    Nach seiner Heirat würde ihm selbst der Trost in den Armen einer freundlichen Hure nicht mehr vergönnt sein. Denn so verständnisvoll Pater Bartholomäus auch in vielen Fragen war – wenn es um fleischliche Sünden ging, kannte er keine Nachsicht.
    Das Hurenhaus lag am westlichen Rand des Ortes, praktischerweise gegenüber dem Wachturm. Lukas verlor sich bereits in der Vorstellung, wie Kathrein ihn in ihre Arme ziehen und mit leidenschaftlichen Küssen empfangen würde. Heute würde er nicht erst mit ihr im Badezuber die ausgefallenen Zärtlichkeiten austauschen, mit denen sie ihn verwöhnte. Er wollte sie jetzt gleich nehmen, ganz tief in sie stoßen und dabei alles vergessen.
    Lukas hatte getrunken, aber er war auch ein Kämpfer mit einem gut ausgeprägten Instinkt für Gefahr. Irgendetwas stimmte da nicht … die auffällige Stille im Wachhaus …
    Sicher, die meisten Männer waren auf der Hochzeit, aber einige mussten trotzdem dort sein.
    Plötzlich hellwach und nüchtern, blieb er stehen und ließ seine Sinne spielen. Nichts regte sich, niemand schien ihn zu beobachten. Er trug kein Schwert bei sich, schließlich kam er von einer Hochzeitsfeier, also zog er seinen Dolch und lief zu den Ställen.
    Der unverkennbare Geruch von Blut führte ihn hinter die Futterscheune. Dort fand er, wonach er gesucht und was er befürchtet hatte: zwei der Wachen, einer mit durchschnittener Kehle, den anderen hatte ein fachmännischer Dolchstoß in die rechte Niere getötet. Zwei junge Männer, die einen Augenblick der Unaufmerksamkeit mit dem Leben bezahlt hatten.
    Vorsichtig spähte Lukas um die Ecke, ob jemand zu sehen war, dann lief er bis zum Wachhaus und riskierte einen Blick in eine der schmalen Fensterluken. Fremde waren dabei, das ganze Erdgeschoss zu durchwühlen. Er zählte ein Dutzend, zwei davon mager und zerlumpt, die anderen hingegen im Lederwams und gut bewaffnet, zwei trugen

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