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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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erwiderte Lukas beiläufig.
    Er ließ das Schwert sinken, blickte Sebastian direkt in die Augen und sagte in scharfem Ton: »Ab sofort werdet Ihr darauf verzichten, meine künftige Gemahlin im Unterhemd vor Euch knien zu lassen und zu züchtigen.«
    »Sie kniet nicht vor mir, sie kniet vor Gott, mein Sohn«, fuhr ihn der Beichtvater an, genauso laut wie Lukas eben.
    Doch der junge Ritter ließ sich nicht beeindrucken. »Vor Gott kniet sie in der Kirche, am Altar. Lasst sie den Rosenkranz beten und Kerzen stiften, wenn sie sündigt. Und denkt als ihr Beichtvater und Erzieher gefälligst daran, sie nicht nur Gehorsam vor Gott zu lehren, sondern auch vor ihrem künftigen Ehemann.«
    In einem Tonfall, der seine Wirkung nicht verfehlen konnte, weil er seines Vaters würdig gewesen wäre, befahl er: »Ich wünsche, dass mir meine Braut am Tag der Hochzeit keusch und unversehrt übergeben wird. Und ich dulde nicht, dass ein Mann sie mit unbedeckten Armen in einem dünnen Unterkleid sieht. Auch nicht ein Mann Gottes.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er kehrt und ging.
     
    Danach wurde die seit der Ankunft der Reisegesellschaft ohnehin schon unterkühlte Stimmung im Haus geradezu eisig. Wer immer konnte, flüchtete, sobald auch nur einer der unbeliebten Gäste zu nahen drohte.
    Auch Marthe gab auf und rief nach Johanna, um mit ihr Kranke zu besuchen. Sie durfte gar nicht daran denken, wie Lukas’ Leben an der Seite dieser Frau aussehen würde. Selten hatte sie jemanden so bedauert.
    »Wir reisen morgen früh ab«, verkündete Sebastian zur Erleichterung aller am Abend.
    Doch als Sigrun am nächsten Morgen die Treppe herunterkam, erkannte Marthe schon von weitem, dass sie hohes Fieber hatte.Auf der vorletzten Stufe sackte die junge Frau zusammen und wäre gestürzt, hätte Christian nicht schnell reagiert und sie aufgefangen.
    »Ihr seid krank«, sagte Marthe und lief zu ihr. Der trockene Husten und der unnatürliche Glanz in den Augen ihrer Besucherin hatten sie schon von Anfang an beunruhigt, doch jegliche Frage nach ihrem Befinden war abgewürgt worden.
    Jetzt, von nahem, erkannte sie in Sigruns Gesicht und hinter den Ohren die ersten verräterischen roten Punkte.
    Marthe zuckte zusammen und sah zu Christian. Nach einem Augenblick der Stille sagte sie: »Bringt sie in ihre Kammer und lasst niemanden hinein. Schafft die Kinder aus dem Haus, sie sollen in der Küche schlafen. Niemand darf mehr aus dem Ort hinaus oder herein. Wir haben die Masern im Dorf.«
     
    Die Masernepidemie hielt Christiansdorf sechs Wochen im Würgegriff. Marthe war Tag und Nacht unterwegs, um nach den Kranken zu sehen. Doch kaum hatte einer die Fieberkrise überstanden, wurden drei neue Fälle gemeldet. Innerhalb einer Woche starben zehn Menschen, unter ihnen die Witwe Elsa.
    Von den Leprösen abgesehen, die außerhalb des Ortes bleiben mussten und im Frühjahr weitergezogen waren, war dies das erste Mal, dass sie eine so ansteckende Seuche im Dorf hatten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Krankheiten waren diesmal die Erwachsenen noch schlimmer betroffen als die Kinder. Zeitweise waren so viele Menschen krank, dass Bergmeister Hermann sogar ein paar Frauen in die Gruben schicken musste. Damit die Förderung nie stockte, hatte Markgraf Otto gleich zu Beginn des Bergbaus in Christiansdorf bestimmt, dass eine Grube an einen anderen Eigner fiel, wenn dort drei Tage hintereinander nicht gearbeitet wurde.
    Die Bauern hingegen hatten Not, die Ernte einzubringen. Viele Kranke durchlitten nicht nur den Ausschlag und das Fieber, sondern gefährliche Krämpfe und Erbrechen. Eines der Kinder verlor das Gehör, ein anderes hatte nach dem Abklingen des Fiebers den Verstand eingebüßt.
    Unter den Schwerkranken war auch Pater Bartholomäus. Sein Zustand wollte und wollte sich nicht bessern, trotz allem, was Marthe unternahm. Der Pater war alt, sein Körper wehrte sich nicht gegen die Krankheit.
    Christian war in Sorge um seine Frau, weil sie ständig in Kontakt mit den Kranken war, doch sie beruhigte ihn, so gut sie konnte. »Ich hatte die Masern schon. Und meine Lehrmeisterin war sich sicher, dass jeder sie nur ein Mal bekommt. Ich weiß nicht, warum, aber es ist so.«
    Weil Johanna die Masern noch nicht gehabt hatte, nahm Marthe sie diesmal nicht mit zu den Krankenbesuchen. Sie ließ sie große Mengen Akeleitinktur und geschnittenen Meisterwurz in Wein ansetzen, die sie im Dorf verteilte, und gab den Familienangehörigen genaue Anweisungen für die

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