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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Sünden begangen haben könnte, die eine dermaßen harte Bestrafung erforderten. Zum ersten Mal verspürte sie Mitleid mit der jungen Fremden.
    »Wollt Ihr mit mir meinen Kräutergarten anschauen?«, fragte sie Sigrun. »Er ist genauso angelegt wie die Klostergärten.«
    Sigrun folgte ihr stumm. Doch als sie zwischen den Hochbeeten entlangging und die ihr aus ihrem Kloster vertraute Reihenfolge der Heilpflanzen wiederfand, entdeckte Marthe die erste Gefühlsregung bei ihr.
    Mit verträumter Miene schritt die junge Braut an den Beeten entlang und wusste stets schon vorher, welche Pflanze als Nächste kommen würde. Marthe hatte dieses System eingeführt, nachdem ihr Pater Bartholomäus davon erzählt hatte. Die Hochbeete mit hölzernen Rahmen, deren Boden zum Schutz gegen Mäuse mit Steinen gefüllt waren, standen in einer festgelegten Anordnung. So konnte der im Kloster für die Krankenpflege verantwortliche Bruder auch einen Gehilfen dorthin schicken, der sich nicht genau mit den Pflanzen auskannte, und einfach sagen: Hol mir etwas vom zweiten Beetlinks. Das fand Marthe sehr einleuchtend und praktisch und hatte es sofort umgesetzt.
    Sie lud Sigrun ein, sich auf eine Bank aus Weidengeflecht zu setzen, die um den Stamm eines Apfelbaumes gebaut war, und überlegte, mit welchen Worten sie das heikle Gespräch beginnen konnte.
    Doch ihr fiel nichts Geeignetes ein, und so fragte sie schließlich ganz direkt: »Glaubt Ihr wirklich, derart schwere Sünden begangen zu haben, dass Ihr so viel Buße tun müsst?«
    »Jeder Mensch sündigt pausenlos, schon in seinen Gedanken. Und Frauen sind die Sünde selbst seit Evas Zeiten«, wies Sigrun sie streng zurecht, bevor ein Hustenanfall sie schüttelte. »Wenn ich jetzt schon büße für all die furchtbaren und unaussprechlichen Dinge, die ich künftig im Ehebett zu erdulden habe, hat der Allmächtige vielleicht doch noch Erbarmen mit meiner Seele, auch wenn ich meine Jungfräulichkeit opfern muss.«
    »Aber ist es nicht die gottgewollte Aufgabe der Frauen, Kinder zu gebären?«, meinte Marthe vorsichtig.
    Sigrun sah sie mit einer Mischung aus Hass und Hochmut an. »Das sagt Ihr nur, um Euer eigenes sündhaftes Tun zu rechtfertigen. Denkt Ihr denn, ich merke nicht, wie Ihr es genießt, statt es in Demut zu erdulden? Denkt Ihr, ich sehe nicht, wie Ihr Euren Gemahl anblickt, wie Ihr ihn zu verführen sucht mit Eurer Schamlosigkeit?«
    Sie hatten beide Lukas nicht kommen hören. Wie aus dem Nichts stand er plötzlich vor ihnen, hochaufgerichtet und mit so furchteinflößender Miene, wie Marthe ihn noch nie erlebt hatte.
    »Ich dulde nicht, dass Ihr Eure Gastgeberin und meine Herrin beleidigt«, fuhr er Sigrun in beißender Strenge an. »Ihr habt mir als meine Gemahlin zu gehorchen, also beginnt schon einmal damit und gewöhnt Euch daran. Die Dame Marthe ist einefromme Christin, die in wahrlich bewundernswertem Maße Barmherzigkeit und Milde gegenüber anderen Menschen walten lässt – sogar Euch gegenüber.«
    Er sah seine Braut so finster an, dass sie schwieg und gehorsam den Blick senkte. Dann machte er kehrt und stapfte zurück zum Haus.
    Mathe hastete ihm nach, um ihn in das einzuweihen, was sie gerade von den Mägden erfahren hatte. Lukas war für einen Moment fassungslos, doch dann wurde er wütend.
    Weil Marthe ahnte, was er vorhatte, hielt sie ihn am Arm fest. »Sieh dich vor! Du darfst einen Mann Gottes nicht angreifen.«
    »Dieser lüsterne alte Bock«, fauchte Lukas und griff nach seinem Schwert.
    »Lukas! Um der Liebe Christi willen«, rief Marthe.
    »Was soll’s«, meinte Lukas und löste sich mit Leichtigkeit aus ihrem Griff. »Ich bin sowieso schon in schlechter Stimmung.«
    Marthe biss sich auf die Fingerknöchel und stürzte ihm nach, in der unsinnigen Hoffnung, Unheil zu vermeiden. Sie konnte nicht einmal Christian oder einen seiner Freunde herbeirufen, damit sie Lukas aufhielten, denn die übten mit den Knappen auf Herwarts Kampfwiese am Dorfausgang den Umgang mit der Lanze.
    Doch sie hatte Lukas unterschätzt, weil er in ihrer Gegenwart zumeist gut gelaunt war. Jetzt lernte sie ihn von einer neuen Seite kennen.
    Lukas trat vor den Pater, zog sein Schwert und fuhr lässig mit einem schmalen Schleifstein an der Klinge entlang.
    Der Beichtvater zuckte zusammen. Dann sammelte er seinen ganzen Mut, stand auf und fragte drohend: »Ihr tretet einem Mann Gottes mit der Waffe gegenüber?«
    »Nicht doch, ich plaudere mit Euch, während ich ein paar Scharten auswetze«,

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