Die Spur der Hebamme
wahr?«
Bei einer ihrer früheren Begegnungen hatte der Spielmann erzählt, dass er einst die Sieben freien Künste studiert hatte, bevor er als Vagant durch das Land zog und freche Lieder sang.
»Nimmst du an?«
Zögernd sah Ludmillus hoch und schlug in die Hand ein, die Christian ihm reichte.
»Abgemacht«, sagte der Herr des Dorfes. »Lass dir ein paar ordentliche Sachen geben und eine Schlafstatt zeigen. Morgen trittst du deinen Dienst an.«
Zwei Tage später traf Lukas mit seiner Braut und ihren Begleitern ein. Seine Miene war wie versteinert und erweckte bei Marthe den Eindruck, er habe sich diesen gequält höflichen Ausdruck für die Dauer der Reise ins Gesicht gemeißelt und nur mit größter Mühe die Beherrschung behalten.
Mit ausgesuchter Höflichkeit half er seiner Braut vom Pferd und stellte sie vor. »Dame Marthe, Ritter Christian, dies ist die Dame Sigrun, meine Braut.«
Die junge Frau zwängte das gleiche künstliche Lächeln wie Lukas auf ihr blasses, schmales Gesicht, als sie den Willkommenspokal von Marthe entgegennahm und vorsichtig daraus trank.
Marthe hatte bereits auf einen Blick erfasst, dass hier wohl alle gutgemeinten Versuche vergeblich sein würden.
Ließ man außer Acht, wie bleich und erschöpft von der Reise Sigrun war, wäre sie hübsch zu nennen. Doch unübersehbargab sie sich die größte Mühe, das zu verbergen. Sie trug ein dunkelgraues Kleid aus gutem Tuch, aber völlig schmucklos und entgegen der Mode so geschnitten, dass es nichts von ihrer Figur zu erkennen gab. Dies war bestimmt keine Trauerkleidung nach dem Tod ihres Bruders, sondern ein Ersatz für das Gewand der Nonnen. Sigruns braunes Haar war unbedeckt, wie es einer Jungfrau zukam, doch so straff geflochten und zum Knoten aufgesteckt, dass auch der lange Ritt nicht die kleinste Strähne hatte lösen können. Ihre Augen glänzten fiebrig oder müde, ihr Gesicht wirkte überanstrengt und dadurch viel älter als die siebzehn Jahre, die sie war.
Mit ihr waren ein dürrer Beichtvater mit finsterer Miene, eine ältere Witwe als Gesellschafterin und zwei Mägde gekommen. Die neuen Reisigen aus Meißen hatte Lukas schon zu Herwart geschickt.
Christian bat die Gäste ins Haus und ließ ihnen ihre Quartiere zeigen. »Erholt Euch von der Reise. Danach erwarten wir Euch zum Mahl«, sagte er so höflich er konnte.
Seit er Sigrun gesehen hatte, bedauerte er Lukas aus tiefstem Herzen. Er bezweifelte, dass Marthe hier etwas ausrichten konnte – nicht einmal mit allem Feingefühl der Welt.
»Pass auf, was du sagst, sie trägt jedes Wort zu ihrem Beichtvater«, raunte Lukas Marthe zu. An seinem eindringlichen Blick erkannte sie, dass dies eine ernsthafte Warnung war. »Zwei Tage unterwegs mit ihr, und nun weiß ich, sie ist noch schlimmer als in meinen schlimmsten Träumen. Nimm dich ja in Acht.«
Der Beichtvater, der als Pater Sebastian vorgestellt worden war, kam als Erster wieder hinunter in die Halle und musterte alles mit durchdringendem Blick, als suche er nach etwas, an dem er Anstoß nehmen konnte.
Nach einem Moment eisernen Schweigens bot ihm Christian einen Platz an und ließ ihm einen Becher Wein bringen.
»Nur Dünnbier und Brot«, forderte der Pater und hob die Stimme. »Völlerei ist eine Todsünde. Habt Ihr das etwa vergessen?«
Christian behielt seine Gesichtszüge vollkommen unter Kontrolle und schickte die Magd nach Bier.
Während der Geistliche mit kräftigen Zügen trank – der Ritt musste ihn durstig gemacht haben –, kamen Sigrun und ihre Begleiterin herunter.
Die junge Frau sah für Marthes geschultes Auge nicht nur erschöpft, sondern beunruhigend krank aus.
»Fühlt Ihr Euch nicht wohl?«, erkundigte sie sich besorgt. »Ihr wirkt fiebrig. Soll ich Euch dagegen und gegen den Husten einen Trank geben?«
»Sie braucht keine heidnischen Zauber, wie ihn die alten Kräuterweiber anwenden«, antwortete der Pater scharf. »Wenn sie krank ist, wird der Herr sie heilen. Oder vertraut Ihr etwa nicht auf die Kraft der Gebete?«
Christian stand mit einer schroffen Bewegung auf, stellte sich hinter Marthe und legte ihr demonstrativ die Hände auf die Schulter.
»Meine Gemahlin verwendet keinen heidnischen Zauber, sondern die gleichen Kräuter und Heilpflanzen, die auch die Mönche in den Klostergärten anbauen«, sagte er scharf. »Pater Bartholomäus wird Euch das jederzeit bestätigen.«
Das Essen verlief schweigend. Anschließend verkündeten die Gäste mit eisigen Mienen, sich nach einem Gebet
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