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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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verstehst.«
    »Sie ist eine Dame von Stand und frommen Glaubens«, widersprach Elisabeth.
    »Das wird das Kirchengericht untersuchen. Willst du etwa Zweifel an der Gerechtigkeit seines Urteils äußern?« Die Stimme des Fremden war nun schneidend scharf, in seinen Augen lauerte Bosheit.
    Marthe beschwor Elisabeth mit einem Blick, zu schweigen. Ihre Freundin sollte nicht mit ihr ins Verderben gezogen werden.
    »Natürlich nicht, Ehrwürdiger«, antwortete Elisabeth leise.
    Mit einer Kopfbewegung befahl der Geistliche zwei Bewaffnete zu sich, die mit ihm gekommen waren und hinter ihm standen. »Bindet der Hexe die Hände. Und passt gut auf, dass sie nicht entwischen kann!«
    An diesen Worten erkannte Marthe, dass ihr Tod schon beschlossen war. Während die Männer ihre Handgelenke fest zusammenschnürten, verstand sie nun auch den Ausdruck des Bedauerns, den sie vorhin auf dem Raubvogelgesicht erkannt hatte. Das war kein Mitleid mit ihr oder dem ungeborenen Kind, sondern Enttäuschung darüber, dass er wegen ihrer Schwangerschaft nicht jede Folter anwenden durfte und sienicht sofort hingerichtet werden konnte, sondern erst nach der Geburt des Kindes.
    Mit einem letzten stummen Blick sah sie zu der totenblass gewordenen Elisabeth, bevor die Bewaffneten sie hinausstießen. Von keinem Ritter hätte Raimunds Frau einen solchen Bruch des Hausrechts hinnehmen müssen. Doch einem Geistlichen durfte sie nicht in den Arm fallen.
    Marthe wusste, Elisabeth würde tun, was sie konnte, um Christian zu alarmieren und Hilfe zu holen. Aber es gab nichts, was sie gegen ein Kirchengericht tun konnte, das sein Urteil bereits gefällt hatte.
     
    Die Männer befahlen ihr, auf einen Karren zu steigen, und banden sie dort fest. Marthe betete, dass ihre Kinder nicht mitansehen mussten, wie man sie fortschaffte. Aber Raimunds Frau hatte geistesgegenwärtig dafür gesorgt, dass ihre und Marthes Kinder, die draußen miteinander gespielt hatten, schnell hinters Haus geführt worden waren und nicht ins Blickfeld der Häscher gerieten.
    Während der ganzen Reise erhielt Marthe weder Essen noch Trinken, nicht einmal einen Schluck Wasser in der sengenden Augusthitze. Niemand sprach ein Wort zu ihr.
    Auch die Nacht musste sie in Fesseln auf dem Karren zubringen, unablässig bewacht von jeweils zwei Männern, unter deren Augen sie sogar ihre Notdurft verrichten musste. Sie verging beinahe vor Scham und hoffte, dass ihr Kleid und die Dunkelheit das meiste verbargen.
    Durstig, hungrig, staubig und von Sorgen zermürbt, erreichte sie Meißen am Nachmittag des nächsten Tages. Ihre Bewacher führten sie zum Bischofspalast. Doch sie wurde nicht in einen Saal vor das Gericht geschafft, wie sie geglaubt hatte, sondern in den Kerker.
    Wenn sie bis eben noch ein winziges Fünkchen Hoffnung hatte, in der Dunkelheit des Verlieses erlosch es. Als die Wachen sie hineinstießen, sah sie im Schein der Fackel fauliges Stroh und Ketten, die an den Wänden und von der Decke hingen.
    Die Männer stießen sie gefesselt auf das modrige, stinkende Stroh. Dann verriegelten sie die Tür und ließen Marthe allein in der Dunkelheit zurück.
    Jetzt erst erlaubte sie sich zu weinen – vor Erschöpfung, Angst und aus Sorge um ihr ungeborenes Kind. Bald wurde ihr Schluchzen so heftig, dass sie glaubte, nie wieder aufhören können zu weinen. In ihrem namenlosen Entsetzen überhörte sie die Schritte, die sich näherten, und das Quietschen des Riegels. Erst der grelle Fackelschein ließ sie aufmerken. Sie blinzelte mit verquollenen Augen gegen das Licht und hörte wieder die schnarrende Stimme.
    »Nehmt ihr die Fesseln ab, steckt die Fackel in die Halterung und lasst uns allein«, befahl der Raubvogelgesichtige. »Aber wartet vor der Tür.«
    Einer der Männer kam auf sie zu und löste den Strick von ihren Handgelenken, die angeschwollen waren und vor Schmerz pulsierten. Dann hörte sie ein ehrerbietiges: »Wie Ihr wünscht«, sich entfernende Schritte und das Knarren der sich schließenden Tür.
    Mit dem Ärmel ihres Kleides versuchte sie, die Tränen abzuwischen.
    Doch der Geistliche war schneller. Schon stand er vor ihr, hob ihr Kinn und betrachtete lauernd ihr Gesicht.
    »Tränen? Ha! Hexen können nicht weinen.«
    Noch ehe Marthe etwas sagen konnte, befahl er: »Steh auf!« Wankend kam Marthe hoch, während sie einen stechenden Blick auf sich gerichtet wusste.
    Mit bebenden Fingern zog der Raubvogelgesichtige die Kettemit dem Silberkreuz unter ihrem Kleid hervor, die

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