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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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musste.
    Noch wusste niemand von den Schaulustigen, wer sich heute der Feuerprobe unterziehen musste und warum, aber die wildesten Vermutungen wurden ausgetauscht.
    Christian und Lukas standen nebeneinander, wechselten ab und zu einen düsteren Blick und waren ansonsten in ihre Gedanken vertieft, die sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden mochten.
    Endlich kündigten laute Rufe das Nahen des Bischofs an.
    Ehrerbietig kniete die Menge nieder, bis er das Zeichen gab, sich zu erheben.
    »Dieser Mann« – Bischof Martin wies auf den gefesselten Medicus, der sich wand und um Gnade bettelte – »hat wissentlich falsch ausgesagt und eine Unschuldige der Hexerei angeklagt: die Dame Marthe, die vor vier Wochen die Wasserprobe bestand.«
    Die Ankündigung führte zu einem regelrechten Aufruhr in der Menge, doch der Bischof hob die Hand, um die Menschen zum Schweigen zu bringen.
    »Neid und Hass haben ihn zum Lügner und Verleumder gemacht. Das verlangt nach harter Strafe, um jedermann voneinem ähnlichen Verbrechen abzuhalten. Der Ehemann der unschuldig Angeklagten, Ritter Christian im Dienste von Markgraf Otto, hat jedoch den Wunsch geäußert, den Verleumder der Feuerprobe zu unterziehen. Seine Bitte sei gewährt.«
    Der Bischof gab den Wachen ein Zeichen. Sie führten den sich heftig sträubenden Medicus an den Rand des glühenden Feldes und forderten ihn auf, die Schuhe auszuziehen.
    Widerstrebend gehorchte der Gelehrte, während ihm ein paar Zuschauer mit höhnischen Rufen vorschlugen, ihnen sein kostbares Schuhwerk zu hinterlassen oder sein Gewand gleich auch noch abzulegen.
    Zitternd richtete sich der Medicus auf, bekreuzigte sich und lüpfte unter dem Gelächter der Schaulustigen seine schwarze Robe, damit der Saum nicht Feuer fing. Dann stießen ihn die Wachen auf die glühenden Kohlen.
    Ein markdurchdringender Schrei folgte seinem ersten Schritt. Brüllend wollte er wieder auf die kühle Erde flüchten, doch die Wachen trieben ihn mit ihren Spießen unerbittlich vorwärts.
    Der Medicus sprang panisch von einem Bein aufs andere, seine Schmerzensschreie übertönten selbst das Grölen der Zuschauer. Schließlich schien er zu begreifen, dass er mit großen Schritten die glühende Fläche überqueren musste, wenn er seiner Qual ein Ende bereiten wollte. Doch als er die Hälfte der Strecke geschafft hatte, trat Christian mit einem einzigen Schritt aus der Menge an das Ende des Kohlenfeldes, verschränkte die Arme und starrte mit unbewegtem Gesicht auf den Medicus. Der fuhr entsetzt zurück, stolperte und fiel der Länge nach in die Glut. Seine Kleider fingen sofort Feuer. Das Fauchen der hoch lodernden Flammen mischte sich mit den Schmerzensschreien des Mannes, bis der Medicus verstummte und nur noch das Knistern und Zischen des Feuers zu hören war.
    Die meisten der Zuschauer bekreuzigten sich, einige wisperten,ganz deutlich den Geruch von Schwefel wahrgenommen zu haben.
    Mit unbeweglicher Miene warteten Christian und Lukas, bis von dem Verleumder nur noch ein verkohltes Stück Fleisch übrig war. Dann verließen sie gemeinsam den Platz.

Eingeschlossen
    Zeitlos und ziellos trieb Marthe durch eine eigentümliche Traumwelt. Sie sah nichts von ihrer Umgebung und spürte nichts außer ihrem Körper, der manchmal vor Hitze zu brennen schien und dann wieder von eisigen Schauern geschüttelt wurde.
    Gelegentlich drangen Wortfetzen an ihr Ohr, ohne dass sie mit dem etwas anfangen konnte, was gesprochen wurde. Aber mit der Zeit gewöhnte sie sich an zwei Stimmen: die brüchige Stimme einer alten Frau und eine befehlsgewohnte Männerstimme, die ihr aus einer längst vergangenen Zeit vage bekannt vorkam. Doch sie konnte nicht herausfinden, zu wem sie gehörte. Sie wollte es auch nicht. Denken strengte an. Und sie war müde, zum Sterben müde.
    Manchmal erkannte sie auch Gerüche, ohne sie benennen zu können, durchdringende oder beruhigende Aromen.
    Sie öffnete nie die Augen, weil sie das viel zu viel Kraft gekostet hätte. Durch die geschlossenen Lider nahm sie den Wechsel vom Licht des Tages und der Dunkelheit der Nacht wahr, wenn ihr Bewusstsein gelegentlich von tiefem Schlaf in jenen merkwürdigen Zustand wechselte, in dem sie trieb.
    Doch diesmal verstand sie die Bedeutung der Worte, die neben ihr gesprochen, fast gefaucht wurden.
    »Ich tue, was ich kann.«
    Das war die Stimme der Alten.
    Mit einer winzigen Bewegung – erstaunlich, dass sie dazu fähig war – ertasteten ihre Hände die Unterlage, auf die sie

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