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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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gebettet war: glattes, feingewebtes Leinen. Ihre Handrücken spürten weiches Fell, mit dem sie zugedeckt war.
    Plötzlich war ihr Verlangen übergroß, zu sehen, wo sie war. Zum ersten Mal fühlte sie sich stark genug, die Augen zu öffnen.
    »Ein Wunder! Rasch, hol den Herrn, sie kommt zu sich!«
    Sie sah über sich das Gesicht der alten Frau, das ihr in verschwommenen Träumen erschienen war. Besorgt blickende Augen in einem runzligen Gesicht mit einer scharf gebogenen Nase, aus denen nun Erleichterung und Freude leuchteten.
    Schmale und überraschend kräftige Hände halfen ihr auf, die Alte setzte ihr einen Becher an die Lippen. »Trinkt das, meine Liebe, trinkt. Es wird Euch guttun. Wir haben uns große Sorgen um Euch gemacht.«
    Verwirrt nahm Marthe einen Schluck, dann noch einen. Es war erfrischend kühler, mit Wasser verdünnter Wein.
    Sie bemerkte, dass sie ein prachtvoll besticktes Unterkleid aus feinstem Leinen trug.
    Dann hörte sie harte Männerschritte eine Treppe heraufkommen. Schwungvoll wurde die Tür aufgestoßen, und Ekkehart trat auf sie zu.
    Marthe zuckte zurück. Der Becher entglitt ihren Händen und fiel zu Boden. Sie kauerte sich zusammen und zog sich das Fell bis über die Schultern.
    Mit einem Mal war ihr wieder bewusst geworden, was geschehen war. Die Verhaftung. Die Folter. Das Verhör, die Wasserprobe. Und ihr Kind. Sie hatte ihr Kind verloren.
    Warum hatte Ekkehart sie aus dem Kerker geholt?
    Was hatte er mit ihr vor?
    Den hochgewachsenen Ritter mit dem kantigen Gesicht schien ihr Erschrecken zu beschämen.
    »Hab keine Angst«, sagte er hastig. »Du warst sehr krank, wir hatten dich schon fast aufgegeben. Aber die alte Hilda hat sich diesmal wirklich selbst übertroffen. Du wirst anständig belohnt«, sagte er zu der Alten, die mit einem listigen, zahnlosen Lächeln und einer stummen Verneigung dankte. Zum Glück hatte sie sich geirrt, was das Kindbettfieber betraf.
    »Nun sieh zu, dass sie wieder zu Kräften kommt«, fuhr Ekkehart die Frau an.
    Er öffnete eine große Truhe, die an der Wand stand, durchwühlte sie und holte schließlich ein prächtig gearbeitetes Kleid hervor, rot mit blauem Besatz und üppigen Stickereien. Er streckte es Marthe entgegen. »Das kannst du anziehen, wenn du dich kräftig genug fühlst, um aufzustehen.«
    Auf Marthes fragenden Blick antwortete er: »Es hat einmal meiner Frau gehört.«
    Ekkehart legte das Kleid über die Truhe und sagte nach einem Moment des Schweigens: »Sie starb bei der Geburt unseres ersten Kindes. Das Kind mit ihr.«
    »Das tut mir leid«, meinte Marthe. Sie hatte den Anflug von Trauer auf seinem Gesicht erkannt. »Gott erbarme sich ihrer unschuldigen Seelen.«
    Abrupt drehte sich Ekkehart um und stürmte aus dem Raum.
    »Wartet einen Moment, ich hole Euch etwas zu essen«, murmelte die Alte, huschte davon und kam wenig später mit einem Stück weißen Brotes wieder, das sie in Milch tauchte und Marthe damit fütterte wie ein kleines Kind. Die aß nicht mehr als zwei oder drei Bissen, dann lehnte sie sich müde zurück und schloss die Augen.
    Kurz nachdem die Alte gegangen war, hörte sie erneut Männerschritte auf der Treppe und Ekkeharts Stimme, der befahl: »Du haftest mit deinem Kopf dafür, dass sie den Raum nicht verlässt und niemand außer der Alten zu ihr geht.«
    »Ja, Herr«, antwortete eine rauhe Männerstimme.
    Marthe zog das Fell über sich.
    Sie war eine Gefangene.
     
    Am nächsten Tag versorgte die Alte sie mit Suppe, hellem Brot und gutem, verdünnten Wein. Vorsichtig kostete Marthe von allem. Als sie merkte, dass ihr Magen die Nahrung annahm, überkam sie der Hunger, und sie griff beherzt zu.
    »Das ist ein gutes Zeichen«, frohlockte die Alte, die sie nicht aus den Augen ließ. Von der Wache vor der Tür sah und hörte Marthe nichts.
    »Jetzt versucht aufzustehen«, meinte Hilda. Vorsichtig setzte Marthe sich auf und kam auf wackligen Beinen zu stehen.
    »Gut. Das wird schon noch mit der Zeit. Nun zieht das hier an. Unser Herr wünscht Euch zu sprechen.«
    Mit geschickten Händen half die Alte Marthe in das prächtige rotblaue Kleid, kämmte ihr Haar, musterte sie mit zufriedenem Blick und verschwand dann.
    Immer noch schwach und mit hämmerndem Herzen, setzte sich Marthe auf die steinerne Sitzbank am schmalen Fenster. Was würde Ekkehart von ihr wollen? Und wo war sie überhaupt?
    Der Blick aus der nur handbreiten Fensterluke bestätigte ihr, was sie nach Form und Ausstattung des Raumes schon vermutet hatte: Sie

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