Die Spur der Hebamme
irrt Euch. Wirklich! Ich habe mit dem Verschwinden Eurer Frau nicht das Geringste zu tun.«
»Spar dir deinen Atem, du Missgeburt. Du wirst ihn brauchen«, fuhr Lukas ihn an, während er den Gelehrten fesselte und vor sich herstieß.
Unter den verwunderten Blicken der Dorfbewohner befestigte Christian das Ende des Stricks, mit dem die Hände des Medicus zusammengebunden waren, an seinem Sattel.
»Er hat Eure Herrin Marthe verleumdet und der Hexerei beschuldigt. Seinetwegen ist sie verschwunden«, rief Christian den Dorfbewohnern zu, die inzwischen zusammengelaufen waren.
Wehklagen und Verwünschungen gegen den Gelehrten wurden laut. Marthe war beliebt gewesen, und auch wer ihr übel gesinnt war wie Griseldis, der überlegte nun, wie sie im Dorf ohne Heilkundige auskommen sollten und dass Marthe doch der eiskalten Fremden, die bald auf der Burg herrschen würde, vorzuziehen war.
Ohne ein weiteres Wort ritt Christian los und ließ den winselnden Medicus hinter sich herrennen, gefolgt von dem nicht minder grimmig blickenden Lukas auf seinem Braunen.
Sie legten keine einzige Rast ein, aber mehrfach musste Christian das Tempo mindern, weil der Medicus nicht mithalten konnte. Er wollte den Verleumder nicht totschleifen, er sollte auf eigenen Füßen auf dem Burgberg ankommen, damit Christian seine Rache vollenden konnte.
Als klar wurde, dass sie die Stadt vor der Nacht nicht mehr erreichen konnten, suchten sie sich im Wald einen Platz für ein Lager. Lukas fesselte den Medicus an einen Baum. Als der wieder anfing, seine Unschuld zu beteuern, setzte er ihm seinen Dolch an die Kehle. »Noch ein Wort, du räudiges Stück Dreck, und ich steche dich auf der Stelle ab. Aber zuerst schneide ich dir deine verleumderische Zunge heraus.«
Der Medicus verstummte augenblicklich.
Am nächsten Morgen ließ sich Christian erneut bei Bischof Martin anmelden. Diesmal wurde er sofort vorgelassen.
»Christian von Christiansdorf. Ihr habt Neuigkeiten für mich?«, fragte der Bischof und beugte sich gespannt vor.
»Nein, ehrwürdiger Bischof. Ich bin gekommen, um Anklage gegen den Mann zu erheben, der mein Eheweib aus niederen Gründen fälschlich der Hexerei bezichtigt hat. Und um zu fordern,dass er sich einem Gottesurteil unterzieht«, antwortete Christian laut.
Seine Ankündigung sorgte für vielstimmiges Raunen und erstaunte Blicke im Saal.
Der Bischof runzelte die Stirn. »Ist Euch dieser Mann bekannt?«
»Er steht draußen, bewacht von einem meiner Ritter.«
»Führt ihn herein.«
Angewidert blickte der Bischof auf den Mann im Gelehrtengewand, der sich sofort vor ihm zu Boden warf, um ihm die Füße zu küssen. Mit einem Tritt schob er ihn von sich weg.
»Der Medicus«, konstatierte der Bischof. »Ich habe Eure Aussage gelesen. Doch der Ausgang der Wasserprobe und einige andere … Umstände haben zweifelsfrei gezeigt, dass die Frau, die Ihr der Hexerei angeklagt habt, sich nichts dergleichen zuschulden kommen ließ. Könnt Ihr etwas zu Eurer Verteidigung vorbringen?«
»Sind wir nicht alle verpflichtet, das Böse zu entlarven, in welcher harmlos erscheinenden Form es sich auch verbergen sollte?«, ereiferte sich der Medicus.
»Habt Ihr das von Euch beschuldigte Weib fliegen sehen?«
»Ja«, rief der Medicus, froh, nach einem rettenden Strohhalm greifen zu können. »Mehrfach bei Vollmond.«
»Damit ist er als Meineidiger überführt«, verkündete der Bischof hart, während der Gelehrte erschocken auffuhr. »Es ist eine von der Kirche anerkannte Tatsache, dass Hexen nicht fliegen können. Und wenn er wirklich auf der Universität von Bologna war, wie er behauptet, müsste er das wissen. Die Verbreitung solcher Ammenmärchen sollte verboten werden.«
Der Bischof wandte sich an Christian. »Da der Mann erwiesenermaßen Euer Weib fälschlich beschuldigt hat, wird er zu der Strafe verurteilt, die auf Hexerei steht. Doch Ihr sagt, Ihrwünscht ein Gottesurteil. Seid Ihr Euch dessen sicher? Soll er sich ebenfalls der Wasserprobe unterziehen?«
In den Moment atemloser Stille im Saal hinein sagte Christian: »Nein, Eminenz. Ich will die Feuerprobe.«
Es dauerte eine Weile, bis alle Vorbereitungen getroffen und die Kohlen durchgeglüht waren, die einige Knechte auf dem Marktplatz von Meißen ausgebreitet hatten.
In Erwartung des Spektakels hatte sich eine riesige Menschenmenge versammelt, die mit wohligem Grausen auf das rotglühende Feld sah, das gut zwanzig Schritte maß und über das der Delinquent laufen
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