Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
mir am Tisch saß, den Kopf über ihren Laptop gebeugt. Sie lernte für ihre Einbürgerungsprüfung und hatte währenddessen bereits einen Tee getrunken. Stimmt, hier war ich wirklich gerne.
Ich schob ihren langen, dunklen, sehr hübschen Zopf zur Seite und küsste ihren Nacken. Sie drehte sich um, schloss ihre himmelblauen Augen und hob das Gesicht. Ich küsste sie auf den Mund. Ich küsste Colleen Molloy auch gerne, konnte nie genug davon bekommen.
Aber liebte ich Colleen? Liebte ich sie wirklich? Manchmal war ich mir dessen sicher. Doch dann fragte ich mich, ob ich überhaupt jemanden lieben konnte. Oder war ich zu sehr auf mich selbst bezogen, zu sehr von meinem Vater verletzt?
»Du könntest noch eine Stunde Schönheitsschlaf vertragen, mein Junge«, sagte sie.
Mir gefiel der irische Schwung in ihrer Stimme, ihr dunkler irischer Teint. Und ihr Duft nach Rosenwasser.
»Dann komm ich zu spät zum Kaffee mit Polizeichef Fescoe .« Ich küsste Colleen noch einmal, bevor ich ihren Becher ausspülte und ihr einen frischen Tee einschenkte. Den Mord hatte ich noch nicht vollständig aus meinem Kopf verbannt.
»Pass auf, dass niemand deinetwegen vom Blitz erschlagen wird«, ermahnte sie mich.
»Warum sollte das passieren?«
»Weil du hier splitterfasernackt herumstehst und mir erzählst, du musst arbeiten, arbeiten, arbeiten.«
Ich musste lachen. Als Colleen aufstand, nahm ich sie in die Arme. Sie legte ihre kleinen Hände auf meinen Hintern. Ich beschloss, mich nicht zu wehren.
»Ich werde die Tür verrammeln.« Sie kniff mir in die Wange. »Das meine ich ernst, Jack.«
Sie hatte mich bereits rumgekriegt. Wie schaffte sie das nur? Von null zu stocksteif in fünf Sekunden.
»Du bist eine Hexe«, sagte ich und streifte ihr den Bademantel von den Schultern. Dann hob ich sie hoch, so dass sie ihre Beine um meine Hüfte legen musste, und drückte sie mit dem Rücken gegen den Kühlschrank. Sie quiekte, als sie das kalte Metall berührte.
Einmal hatte mir Colleen einen Witz erzählt: »Was versteht man in Irland unter Vorspiel?«
Jetzt ergänzte ich die Pointe. »Dass man sich auf einiges gefasst macht.«
Wir keuchten, während der spärliche Inhalt des Kühlschranks zu unserem Rhythmus klapperte.
»Tut mir leid, dass du meinetwegen zu spät kommst«, sagte sie, als wir fertig waren. Ihr breites Grinsen verriet, dass es ihr alles andere als leid tat.
Ich gab ihr einen Klaps auf den Hintern. »Solange ich nicht schuld bin, dass du zu spät kommst.«
Ich ließ sie unter der Dusche zurück, wo sie mit roten Wangen ein altes Rocklied summte, Come on, Eileen.
Ich stellte die Alarmanlage ein, schloss die Tür hinter mir ab und rannte die Treppe nach unten. Die Blitzentladung hatte mir gutgetan. Doch jetzt musste ich arbeiten, arbeiten, arbeiten.
1 1
Auf dem Weg zu Private Investigations machte ich am Polizeipräsidium Halt. Bisher war noch kein Haftbefehl gegen Andy Cushman erlassen worden. Da ich bereits Verspätung hatte, raste ich weiter ins Büro.
In der achteckigen Einsatzzentrale von Private steht der einzige Gegenstand aus dem alten Büro meines Vaters, ein schwarz lackierter, runder Tisch. Perfekt wird die Einrichtung durch gepolsterte Drehstühle und riesige Flachbildschirme an den Wänden.
Die versammelte Mannschaft wartete bereits zwanzig Minuten auf mich. Ich wurde mit bestürztem Schweigen empfangen, ziemlich genau das, was ich erwartet hatte.
»Tut mir leid wegen Shelby«, begann Del Rio. »Sie war so ein lieber Mensch. Ich kann’s einfach nicht glauben, Jack. Keiner von uns kann das.«
Auch die anderen am Tisch murmelten ihre Beileidsbezeigungen, als Colleen Molloy mit einer Dose Red Bull für mich und meinem Besprechungsplan hereinkam. Ich bin mir nicht sicher, was das über mich aussagt, aber abgesehen von Andy waren alle Menschen anwesend, an denen mir etwas lag. Zu ihnen gehörten ein halbes Dutzend meiner Ermittler, unser Kriminalist Sci und unser über fünfzigjähriges Computergenie, Maureen Roth, die alle nur Mo-bot nannten.
»Brauchst du mich noch?«, fragte Colleen. Sie war seit zwei Jahren meine Sekretärin. So hatten wir uns kennengelernt, doch dann war die Sache komplizierter geworden.
»Nein, danke, Molloy. Alles bestens.«
Ich überflog die Anruferliste. Andy hatte zweimal angerufen, seit ich eine halbe Stunde zuvor das Polizeipräsidium verlassen hatte. Er machte sich Sorgen, und das aus gutem Grund. Die Polizei hatte nur einen Verdächtigen– ihn.
Ich startete meinen
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