Die Spur des Dschingis-Khan
Ich glaubte, du hättest die geplante große Reise längst angetreten?«
»Es war mehr der Plan meines Vaters als meiner. Ich habe ihn wohl erwogen … aber verworfen. Es hätte ausgesehen wie eine Flucht.«
Eine glühende Röte bedeckte ihr Gesicht, und ihre Stimme nahm einen leidenschaftlichen Klang an.
»Ich fliehen? Vor häßlichem Klatsch?! Nein … niemals.«
»Und doch waren es sicherlich schwere Tage, die du damals durchlebt hast.«
Helen legte den Arm teilnahmsvoll um die Schulter der Freundin.
»Was weißt du, Kleines, von den Kämpfen, die mir das Herz zerrissen!
Wäre es nur das eine gewesen … daß der schwarze Blutstropfen, der von Vaters Seiten in meinen Adern rollt, mir in einer rein weißen Gesellschaft Schwierigkeiten macht … gelacht hätte ich darüber. Aber daß ich deshalb auch meine Liebe lassen mußte …«
Die Kehle schien ihr zugeschnürt. Die Stimme versagte.
»Quäle dich nicht, Florence … versuche Averil Lowdale zu vergessen! Ein Mann, der dich um solch Vorurteil lassen konnte, ist deiner nicht würdig, hat dich nie wahrhaft geliebt.«
»Averil mich verlassen?! … Nein. Er tat es nicht!«
»Ich verstehe dich nicht. Schicktest du ihn von dir?«
Mit einer müden Handbewegung strich sich Florence über die Stirn, als wolle sie die quälenden Gedanken hinwegwischen. Dann begann sie mit ruhiger, tonloser Stimme zu erzählen: »Du weißt, Helen, wie ich Averil Lowdale kennen- und lieben lernte. Er hielt bei meinem Vater um meine Hand an, der sie ihm nicht verweigerte. Auch der alte Lord Lowdale war mit unserem Bund einverstanden … Warum auch nicht? … Das Vermögen der Lowdale war nie groß gewesen. Ein langjähriger Prozeß um die Lordschaft hatte den größten Teil der Revenuen verschlungen. Die Millionen meines Vaters kamen sehr erwünscht.
Da erhielt mein Verlobter plötzlich ein Telegramm, umgehend nach England zurückzukehren. Wenige Tage später hatte mein Vater einen Brief des alten Lords in den Händen: ›Seine Lordschaft zieht ihr Einverständnis mit dem Ehebund von Deweys Tochter mit seinem Sohn zurück. Weil …‹ weil ich nicht rein weißer Abstammung sei. Der Vater meines Vaters habe eine Quadronin zur Frau gehabt …«
»Unmöglich, Florence … und wäre die Behauptung wahr, so wäre es doch nur ein vorgeschobener Grund!«
»Du wirst es vielleicht besser verstehen, Helen, wenn ich dir die Vorgeschichte erzähle. Als der Vorgänger des jetzigen Lords Lowdale starb, trat sein Neffe als nächster Erbberechtigter auf. Seine Ansprüche, an sich unanfechtbar, wurden ihm von dem jetzigen Lord streitig gemacht, weil er Halbblut sei. Seine Mutter war eine Gelbe. Ein jahrelanger Prozeß entspann sich um die Erbschaft. Eine besondere Parlamentsbill entschied schließlich zugunsten des Halbblutes. Seit jener Zeit ist Lord Lowdale ein eifriger Verfechter der Bestrebungen für Reinhaltung der Rasse.«
»Und darum …«
»Darum durfte Averil keine Herrin in die Halle von Lowdalehouse bringen, unter deren Ahnfrauen eine ist, deren Wiege in einem Negerdorf gestanden hatte.«
»Und Averil? Fügte er sich widerspruchslos dem Verbot des alten Lords?«
Florence blickte traumverloren ins Weite.
»Nein, Helen … Averil trat mutig an meine Seite. Er war bereit, das Vaterhaus zu verlassen, mit seinem Vater zu brechen. Er kündigte mir seine Abreise von London an. Da … da gab ich ihm sein Wort zurück.«
»Warum, Florence? … Zweifeltest du doch an Averil … an seiner Treue?«
Tief atmend lehnte sich Florence zurück und bedeckte mit der Hand ihre Augen.
»Warum? … Weil ich ihn liebte … mehr liebte als mein Glück. Averils Entschluß war eine Tat, die mich beseligte … mich beglückte. Wer England und seine Institutionen kennt, weiß, was er meinetwegen aufgeben wollte. Sein Opfer war groß. So groß, daß ich es nicht annehmen durfte …
Laß die Vergangenheit. Es ist nutzlos, davon zu sprechen. Weg mit den Erinnerungen an jene Tage und Nächte der Verzweiflung …«
Sie erhob sich und ging ein paarmal durch das Gemach.
»Deine Erzählungen von den wunderbaren Arbeiten in Asien reizen meine Neugier, Helen. Du sprachst davon, daß du vielleicht mit deinem Vater zur Einweihung des Balkaschsees dorthin zurückgehen würdest. Wäre dir meine Begleitung angenehm?«
»Du fragst, Florence?! … Mit tausend Freuden begrüße ich deine Begleitung. Aber … es ist noch zweifelhaft, ob ich selbst gehe. Ich muß …«
Ein Lächeln stand in ihrem Gesicht. »Ich muß
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