Die Staatsanwältin - Thriller
Kopf sagt mir schon, dass Gott mich liebt, aber es fühlt sich nicht immer so an.«
Ich seufzte und sah mich im Zimmer um. Heute Abend hatte ich noch mehr als sonst das Gefühl, er sei gar nicht mehr hier. Es war, als habe er seinen Köper als leere Hülle zurückgelassen. Ich drückte seinen Arm, sagte meinem Vater, dass ich ihn liebte, und stand auf, um zu gehen.
Als ich zur Tür ging, spürte ich, dass etwas anders war, aber ich konnte nicht recht sagen, was. Alles im Zimmer sah aus wie sonst. Dieselben Maschinen mit denselben Anzeigen. Dieselben Genesungswünsche auf den Tischen. Der Fernseher, der an einer Wand hing, und das kleine Fenster zur Außenwelt.
Ich zuckte die Achseln und war schon fast aus der Tür, bevor mir bewusst wurde, was es war. Zum ersten Mal, seit ich herkam, um meinen Vater zu besuchen, merkte ich, dass ich alle Hoffnung verloren hatte. Er kam nicht zurück.
Und merkwürdigerweise brach mich dieser Gedanke nicht oder zwang mich auf die Knie oder löste einen Weinkrampf aus. Es war, als hätte ich begonnen, diese Tatsache langsam zu akzeptieren; jeder Tag machte ein kleines Stück meiner Hoffnung und meines Glaubens zunichte, dass er je wieder aus diesem Koma erwachen würde. Und heute war der letzte Hoffnungshauch einfach verschwunden.
In zwei Tagen, nach Antoine Marshalls Hinrichtung, würde ich meinen Vater in Frieden sterben lassen. Bis dahin hatte Gott immer noch Zeit, ein Wunder zu wirken. Und wenn kein Wunder kam, verschaffte das mir die Zeit, mich auf die Einsamkeit vorzubereiten.
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6
Mace James saß in seinem Pick-up, der vor dem Flying Saucer in Nashville, Tennessee, parkte. Es war eine von Nashvilles trendigsten Bars, hinter dem alten Bahnhof. Ungeachtet des futuristischen Namens war das Gebäude altmodisch aus Stein gebaut, mit Bogenfenstern und einem Baldachin über dem Eingang. Man hatte das Gefühl, als wäre man zurück indie 1950er gereist und könnte im Inneren plötzlich James Cagney über den Weg laufen.
Mace hatte ein schlechtes Gefühl, aber ihm fiel keine bessere Alternative ein. Er dachte fünfzehn Jahre zurück an den Abend, der sein Leben verändert hatte. Ein Freund hatte in der Buckhead Bar einen Streit angefangen und wurde verprügelt. Ohne nachzudenken waren ihm Mace und ein paar Kumpels zur Seite gesprungen, um die Chancen auszugleichen. Befeuert von Adrenalin und Alkohol hatte Mace zwei Männer ins Krankenhaus gebracht. Einer von ihnen war ein Polizist, der nicht im Dienst gewesen war, eine Marke vorgezeigt hatte (zumindest behauptete er das) und Befehle brüllte, bevor Mace ihn mit einem rechten Haken erwischte, der ihm den Kiefer brach. Der Partner des Mannes rang Mace nieder und hatte ihn in Handschellen gelegt, bevor Mace wusste, wie ihm geschah.
Ein paar Minuten später, als Mace gefilzt wurde, entdeckten sie einen kleinen Beutel Kokain in seiner hinteren Jeanstasche. Bis heute wusste Mace nicht, ob er von einem der Cops dort hineingeschmuggelt worden war oder von einem der Männer, mit denen er sich geprügelt hatte.
So oder so hatte er damit zwei Straftaten und ein geringfügiges Vergehen auf dem Konto. Sein Anwalt verschwendete keine Zeit und handelte einen Deal aus – er bekannte sich schuldig der schweren Körperverletzung und des Widerstandes gegen die Festnahme. Die Anklage wegen Drogenbesitzes wurde fallen gelassen.
Zwei Jahre später, als Mace einem Wärter während einer Gefängnisrevolte das Leben rettete, wurde er begnadigt. Er hatte es immer ironisch gefunden, dass ihn dasselbe Verhalten, das ihn in den Knast gebracht hatte – für den Unterlegenen eintreten –, ihn auch wieder herausholte. Es hing alles davon ab, wer die Marke trug, das wusste er jetzt.
Er wusste außerdem, dass sein Plan heute Abend den Beigeschmack der Verzweiflung hatte. Wenn er nicht aufging, würde er seinen Ruf verlieren und ziemlich wahrscheinlich seine Zulassung als Anwalt. Mal wieder eine Kneipenschlägerei. Sie würden sagen, er habe nichts dazugelernt.
Aber er hatte dazugelernt. Er hatte sich im Gefängnis verändert, eine geistliche Bekehrung, die echt war, nicht nur Augenwischerei für denBerufungsausschuss. Warum saß er also hier herum und dachte über eine Kneipenschlägerei nach? Weil er noch etwas gelernt hatte: unschuldige Männer konnten in Fallen tappen. Jemand hatte ihm Kokain untergeschoben. Wie leicht war es dann, Antoine Marshall einen Mord in die Schuhe zu schieben?
Bevor er die Bar betrat, hörte Mace
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