Die Stadt der Engel
Sie konnten ihre aggressiven Pläne verfolgen, solange die Sowjets hinter ihnen standen. Aber standen sie noch hinter ihnen?
Eine Annäherung Moskau-Peking war unübersehbar, und die Chinesen würden als Preis mit Sicherheit den Rückzug Hanois aus Kambodscha verlangen.
»In einem solchen Fall«, stellte Major Vasatrana fest, »wäre es gar nicht ausgeschlossen, daß sich Vietnam mit Amerika verständigen würde; Hanoi braucht dringend Wirtschaftshilfe.«
»Die Hure Politik nimmt jeden Freier«, erwiderte Garella giftig. Natürlich hatte er längst analysiert, daß sich die militärische Intervention günstig wie ungünstig auf die Operation ›Flashlight‹ auswirken müßte: Sie lenkte von ihr ab, sie band aber im Osten Spezialeinheiten der thailändischen Armee, die er vielleicht im Norden brauchen würde.
»Ausgeschlossen«, behauptete Vasatrana. »Wir machen weiter, als gäbe es diese Yuon-Offensive nicht. Ich glaube auch nicht, daß sie unser Land in Mitleidenschaft ziehen wird, wenn man von der Flüchtlingsplage absieht.«
»Und Ihre Spezialeinheit?« fragte Garella.
»Ist ausschließlich für den Einsatz im Norden vorgesehen. Für uns gelten nur Laos und Burma.« Er trat an die riesige Wandtafel, um seinen minuziös ausgearbeiteten Gegenschlag zu erläutern. »Meine Leute sind bereits in der Nähe der Verdächtigen und werden sie nach Auslösung eines Stichworts sofort verhaften – drei Polizei-Offiziere, einen Oberst und einen Major der regulären Thai-Armee, zwei Agenten des Tribunal Weifare Committee und vier Beamte des örtlichen Gouverneurs. Ihre Telefone werden überwacht, ihre Kontakte beschattet. Ein Teil der Hubschrauber ist bereits auf dem Stützpunkt Chiang Rai stationiert, hier«, Vasatrana fuhr mit dem Zeigestab nordöstlich von Chiang Mai entlang, »und damit in unmittelbarer Grenznähe. Der Rest wird von Chiang Khong aus gegen die laotische Grenze vorstoßen. Alle dreißig Heroin-Verarbeitungsstätten sind geortet. Wir werden sie mit Fallschirmjägern ausheben, und zwar gleichzeitig und von allen Seiten.«
»Aber die Genehmigung steht noch aus«, erwiderte Garella.
»Ich konnte Oberst Maliwan nicht erreichen«, erklärte der aggressive Major, »aber ich garantiere Ihnen, daß ich mich umgehend durchsetzen werde.«
»Freie Bahn dem Tüchtigen«, erwiderte der Einsatzleiter mit mehr Ernst als Spott.
»Übrigens wurde Carol heute Mittag im American Club Colonel Miller vorgestellt – und er sprang sofort auf sie, wie erwartet, der Amerikaner läßt sich durch seinen Bluthochdruck nicht von der Schürzenjagd abbringen.«
»Dann wird er wohl nicht alt werden«, entgegnete der Mann, der für tot gehalten werden sollte. »Und wann sehe ich Predi?«
»Ich hole ihn noch heute Nacht hierher«, versprach der Intelligence-Major. Er wirkte wie aufgezogen, ein Ungeduldiger vor dem Start. Vasatrana hatte sich bei seinem Vorgesetzten zum Rapport gemeldet und erwartete jeden Moment, zu Oberst Maliwan gerufen zu werden. »Ich werde mich wirklich durchsetzen, Paul«, versicherte er wiederum, »mit und ohne General Ragusat.«
Leutnant Nakorn stand neben ihm und nickte lebhaft. Garella fragte sich, wie viele bedingungslose Vasallen sein wichtigster Helfer wohl auf die Beine stellen könnte; sicher würden sie ausreichen.
Das Telefon klingelte.
Vasatrana nahm den Hörer ab.
Die Meldung, die er entgegennahm, ließ seine offensive Zuversicht platzen wie einen Ballon. Thailänder sind beherrscht in allen Lagen, aber diesmal fiel es Vasatrana schwer, die Fassung nicht ganz zu verlieren.
»Little Sing-Sing«, erklärte er, als er aufgelegt hatte. »Ich muß sofort hin – Anschlag auf Predi.«
Sein Gesicht zeigte das einundzwanzigste Lächeln des Tropenlandes, das gefrorene.
Niemand begegnete Dany beim Betreten des sterilen Sanatoriums Happyland; es war, als sprängen alle Türen von selbst auf. Der Geruch war nicht aseptisch, sondern verführerisch, das Licht angenehm gedämpft, weich und zärtlich die Musik.
Eine junge Thailänderin empfing Dany mit gefalteten Händen und wies sie schweigend ein. Mit großer Höflichkeit und besonderem Geschick half sie ihr beim Ausziehen, versetzte sie in den paradiesischen Zustand, bei dem man in der blumigen Thai-Sprache ein ›Kleid aus Wind und Himmel‹ trägt. Sie war in dieses Haus geraten wie eine Spötterin in einen Spiritistenzirkel. Entschlossen, den Humbug zu entlarven, stellte sie betroffen wie verblüfft fest, daß sie von dem Übersinnlichen –
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