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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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sinnlichen Irrwisch im Minirock alle Augen folgten, Schlafzimmeraugen. Es war, als triebe es die Fantasie der Männer mit ihr, aber Persulke ließ keinen Zweifel aufkommen, daß er – hier und heute – der einzige wäre.
    Auch Bruno war ein Mann; einen Moment lang plagte ihn die Eifersucht, aber er konzentrierte sich gleich wieder auf Saumwebers Fragebogen. Der Reporter war noch nicht ganz damit fertig, als die kesse Eurasierin bereits wieder auftauchte, so rasch und proper, daß dem Reporter der Verdacht kam, diesmal sei vielleicht der Mädchenhändler aufs Kreuz gelegt worden: Aus Neid wurde Schadenfreude.
    Bruno fuhr wieder ins Dusit Thani zurück, wo er mit Dany und Larry zum Lunch in der Cafeteria verabredet war. Er kam zu früh und nahm den ersten Drink des Tages.
    »Wissen Sie, wo Frau Callway ist?« fragte ihn der Wikinger im Vorbeigehen.
    »Sie wollte zum Wat Arun, Herr Fenrich«, erwiderte Bruno und setzte anzüglich hinzu: »Zum Tempel der Morgenröte.« Er sah, daß der Architekt es auf einmal eilig hatte, und grinste hinter ihm her.
    Vom Ostufer aus war das berühmte Heiligtum am schönsten. Der Prang, der 79 Meter hohe Hauptturm, glänzte wie ein riesiger Juwel im Sonnenglast und sprühte nach allen Seiten Funken. Dany nahm das Bild in sich auf, bis sie den Gestank des nahen Marktes nicht mehr ertragen konnte.
    Mit dem Wassertaxi überquerte sie den Chao Phraya, den die Amerikaner und Europäer Menam nennen. Ein ständiger Pendelverkehr pumpte Touristenströme an das andere Ufer. Vielsprachige Stadtführer leierten ihren Text wie vom Tonband herunter. Es war ein schwacher Ersatz für Individualführung, wie sie Ferry vorgeschlagen hatte. Er fehlte ihr jetzt, jedenfalls als Lotse in der Stadt der Enge. Unterschwellig fragte sich Dany, ob sie ihn nicht auch als Mann vermißte.
    Das berühmte Wahrzeichen Bangkoks, der Wat Arun, auf Tausenden von Plakaten abgebildet, steht in Wirklichkeit auf dem Grund der Nachbarstadt Thonburi und war zunächst die Tempelkirche des Königs Taksin. Als General hatte er Siam aus der burmesischen Knechtschaft nach der Zerstörung der alten Hauptstadt Ayutthaya befreit. Der Sieger war König geworden und später in religiösen Wahnsinn verfallen. Seine Generäle beschlossen, den neuen Gott zu beseitigen. Sie nähten Taksin in ein weißes Seidentuch und knüppelten ihn zu Tode. – Exekution auf siamesisch. Sein Nachfolger gründete im Jahr 1782 als Rama I. die Chakri-Dynastie, die seitdem in ununterbrochener Reihenfolge in Thailand herrscht.
    Dany sonderte sich vom Touristenstrom ab und ging nahe an den Prang heran, dessen bunte Scherben den Brillantglanz entstehen ließen; sie befühlte sie vorsichtig mit der Hand.
    »Feinstes chinesisches Porzellan«, sagte eine wohlbekannte Stimme hinter ihr, sie drehte sich langsam nach Ferry um. »Es war Gesetz in dieser Stadt«, fuhr der Fachmann fort: »Wer ein Gefäß zerbrochen hatte, mußte die Scherben hier abliefern, weil den Baumeistern das Porzellan ausgegangen war und …«
    »Wie kommen Sie hierher, Ferry?« unterbrach sie seine kunsthistorischen Betrachtungen.
    »Ich hab' einen Tip bekommen, und seitdem bin ich hinter Ihnen her.«
    »Warum?«
    »Unter anderem, weil ich sehen wollte, ob eine so selbstsichere Frau wie Sie auch einmal verwirrt sein kann.« Er sah sie bewundernd an. »Ihre Augen glänzen wie der Prang. Sie sind so schön, Dany, daß ich schon nachts von Ihnen träume«, gestand er.
    »Um Gottes willen, Ferry«, erwiderte Dany lachend. »Sie machen mich noch auf mich selbst eifersüchtig.«
    »Es ist mir schon am Frühstückstisch aufgefallen«, fuhr er fort. »Sie sind heute so locker, so gelöst …«
    »Fangen Sie nicht auch noch damit an!« entgegnete sie. »Vielleicht habe ich heute einen guten Tag. Sagten Sie nicht, ich züchtete meine Komplexe wie Goldfische im Aquarium?«
    »So hab' ich es doch nicht gemeint«, versetzte Fer.
    »Vielleicht habe ich sie ertränkt«, stellte Dany lachend fest.
    »Unsinn!« erwiderte er. »Fische können doch schwimmen.«
    »Aber Komplexe nicht.«
    Sie lachten beide.
    Dany hängte sich bei dem Architekten ein. »Ihr Gesicht hat sich seit heute morgen auch wieder geglättet«, stellte sie fest.
    »Ich fühle mich auch wie neu geboren.«
    »Und die Firma FENRICH & PARTNER haben Sie ruiniert?«
    »Ziemlich«, erwiderte der Architekt. »Aber vielleicht doch nicht ganz.«
    »Und was wird aus Ihren Mitarbeitern?«
    »Ich will versuchen, sie irgendwie durchzubringen«,

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