Die Stadt der Engel
am liebsten.
»Clarissa am Morgen«, sagte er und küsste ihr die Hand, »bringt Kummer und Sorgen.«
»Sei nicht albern«, erwiderte sie. »Du warst wirklich schon witziger.«
»Wer nicht«, konterte er und sah sich in der Tausenddollar-Suite um: Salon, Schlafzimmer, Küche, zwei Badezimmer, ein riesiger Balkon.
»Viel zu groß für mich«, stellte die elegante Lady mit den kastanienbraunen Haaren fest. »Allein verliert man sich hier fast.«
»Du warst ja auch zu müde für die Zweisamkeit«, versetzte der Architekt.
»Und du zu lustlos«, gab sie ihm heraus. »Meinst du, ich hätte das nicht gespürt?«
»Kommen wir zur Sache, Clarissa«, begann er und wurde ernsthaft. »Zunächst einmal möchte ich dir für dein großzügiges Angebot danken. Es ist wirklich eine einmalige Offerte für einen Architekten wie mich.«
»Nicht für einen so bekannten Architekten«, erwiderte sie. »Du akzeptierst also den Vorschlag meiner Firma?«
»Ich fürchte, nein«, entgegnete er. »Ich kann mich einfach nicht dazu durchringen.«
»Und das hast du dir genau überlegt?« erwiderte sie. Ihre Stimme war eine Nuance zu scharf.
»Ja«, antwortete Ferry. »Es wäre ein Geschenk, und Geschenke verpflichten.«
»Unsinn!« entgegnete Clarissa. »Du wirst hart dafür arbeiten.«
»Ich habe es mir eine Nacht lang überlegt«, erwiderte er. »Nochmals vielen Dank für deinen guten Willen – ich muß ihn leider ausschlagen.« Er stand auf. »Ich wünsche dir einen angenehmen Rückflug«, sagte der Architekt ohne Bosheit mit einer Art Verbeugung.
Clarissa war zu verblüfft, um ihm, ihrem Temperament entsprechend, die Kaffeetasse an den Kopf zu werfen.
Ferry ging, ohne sich umzudrehen, und Clarissa sah dem Mann nach, dem Traumwandler des Tages, der über eine vielfarbige Regenbogenbrücke ging, vermutlich zu einer anderen.
Garellas Vorahnung hatte sich umgehend erfüllt: Der Schwerverletzte Predi war weder in das moderne Gebäude am Siam Aquare überführt worden, noch war Major Vasatrana inzwischen wieder aufgetaucht. An seiner Stelle meldete sich Leutnant Nakorn. »Der Chef wird noch im Innenministerium festgehalten«, sagte er, »und Predis Überführung hat sich verzögert, weil sich der Arzt querlegt.« Einen Moment lang wirkte der Offizier verwundert, daß sich der Sonderbeauftragte mit dieser Erklärung wortlos zufrieden gab. »Doktor Somboon besteht darauf, daß der Verletzte nur in einem Ambulanzwagen befördert werden darf«, fuhr er fort. »Ein solcher aber fällt auf und muß deshalb getarnt werden, und das kostet einige Zeit – aber spätestens heute Mittag wird Predi hier sein.«
Nakorn zog den Kopf an die Schultern, als erwarte er einen Zornausbruch Garellas.
»Schon gut«, erwiderte der Mann mit der Narbe. »Hören Sie, Nakorn, ich nehme an, daß der Major Ihnen Order gegeben hat, mich abzuschirmen.«
»In Ihrem Interesse«, erwiderte der Leutnant.
»Ich möchte dieses Gebäude kurzfristig verlassen, will aber nicht, daß ich dabei beschattet werde.« Er ließ Nakorn nicht aus dem Blick. »Ist das klar?«
»Sie wollen …«, stotterte der Leutnant erschrocken. »Ohne Abschirmung … außerhalb dieses Hauses … aber warum denn?«
»Meine Sache«, entgegnete Garella betont arrogant, um den Mann einzuschüchtern. »Ich verlasse mich auf Sie«, sagte er und ließ Vasatranas Stellvertreter einfach stehen.
Garella passierte den langen Gang und fuhr mit dem Lift in die Tiefgarage. Er konnte keine Verfolger ausmachen. Nakorn würde es nicht wagen, seine Weisung zu übertreten, andererseits aber – da hatte der Thai-Kenner keine Zweifel – galten für ihn nur Vasatranas Befehle. Der Einsatzleiter hatte ausgerechnet, wie lange Carol brauchen würde, den Computer abzufragen und dann von der US-Botschaft hierher zu gelangen, aber sie unterbot die Zeit um einige Minuten.
»Ich wäre noch schneller gekommen – a terrible traffic jam!« entschuldigte sie sich, aber der Wartende wußte, daß Bangkoks Straßen fast immer verstopft waren.
Er schlüpfte in Carols kleinen Wagen. »Nichts wie weg!« sagte er wie ein Soldat, der über die Mauer geht.
Sie fuhr die Auffahrt hoch, reihte sich geschickt und nicht ganz vorschriftsmäßig in die Autoschlange ein. Es war Garella nicht anzusehen, wie aufmerksam er seine Umgebung beobachtete.
»Wohin?« fragte die Amerikanerin mit den langen Blondsträhnen.
»Wohin Sie wollen, Carol«, erwiderte er.
Die subversive Diplomatin wußte, daß es keine Spazierfahrt werden
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