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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Attentat vor dem Stundenhotel hatte sich noch nicht bis hierher durchgesprochen.
    »Wir starten gleich«, sagte Garella. Er wirkte kalt wie ein Eiszapfen; seine Ruhe übertrug sich auf Carol, die erfasst hatte, daß es jetzt auf jede Sekunde ankam.
    »Die Schweine hatten eine Bombe in Ihren Wagen eingebaut, zum Glück mit Verzögerung, um sicher zu gehen, daß es uns beide erwischt.«
    »Wie haben Sie das bemerkt, Paul?«
    »Die Fußspuren –«
    »Sie haben mir also das Leben gerettet«, stellte Carol fest.
    »Mir doch auch«, entgegnete der Operationsleiter und zeigte sein arktisches Lächeln. »Schließlich hatte ich Sie ja auch in Lebensgefahr gebracht.«
    »Unser geheimes Hauptquartier ist also geplatzt.«
    »Beinahe wie erwartet«, konstatierte der Topagent. Er brach ab, als der Kellner zwei Cokes an den Tisch brachte, die Garella sofort bezahlte. »Wenn man unsere Flucht nicht bemerkt hat«, fuhr er dann fort, »haben wir jetzt eine Lebensversicherung. Die Täter halten uns für ausgeschaltet.« Er sah zum Eingang hin und stellte fest, daß der Tuk-Tuk-Fahrer immer noch Grünzeug auslud. »Und als Toter lebt man im Untergrund vergleichsweise ungefährlich«, behauptete er.
    »Nicht immer, Paul«, erinnerte ihn Carol an seine Situation.
    »Ich schaffe Sie jetzt in die US-Embassy. Ob wir Flashlight noch durchziehen können, hängt jetzt ausschließlich davon ab, wie schnell Sie den großen Gregory in Langley erreichen. Sagen Sie ihm, daß ich es für unumgänglich halte, daß er sich sofort ins Flugzeug setzt. Nennen Sie in meinem Auftrag das Code-Wort ›Last dance‹.«
    »Kehraus«, übersetzte Carol.
    »Endlich«, versetzte Garella.
    Er stand auf und ging mit Carol auf das Dreirad-Gefährt zu. Der Fahrer war mit dem Abladen fertig. Garella hob die Plane. »Weder bequem, noch sauber«, stellte er fest und half der CIA-Diplomatin auf das motorisierte Gefährt, »aber verhältnismäßig sicher.« Dann hievte auch er sich in den Wagen. »Ich habe dem Mann erklärt, daß es sich um eine Wette handelt«, sagte Garella, »und Thais sind immer für ›Sanuk‹ zu haben. Zudem halten sie so ziemlich alle Ausländer für verrückt.«
    Die knatternde Motorrikscha rangierte im Rückwärtsgang auf die Deja Street. Der Mann am Steuer brauchte Minuten, bis es ihm gelang, sich in den chaotischen Verkehrsstrom der Silom Road einzufädeln.
    Es war dem Auftraggeber nur recht. Er lag mit seiner Begleiterin versteckt unter der Plane und sondierte durch eine Ritze die Umgebung. Sein Gesicht, stets ein wenig hungrig, wurde offensichtlich von der Genugtuung gesättigt. Um Carol gegen die Erschütterungen des schlecht gefederten Fahrzeugs abzuschirmen, hatte er die Arme um sie gelegt. Ein ungewohntes Gefühl überflutete Garella und drohte seine lebensrettende Wachsamkeit zu betäuben.
    »Entschuldigen Sie, Carol, es soll kein Annäherungsversuch –«
    »Sie wissen doch, Paul, daß ich männertoll zu sein habe.«
    »Nicht mehr lange; Sie werden umgehend rehabilitiert.«
    »Dann freue ich mich jetzt schon auf die Monogamie.«
    »Haben Sie denn einen Partner dafür?« fragte Garella ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
    »Eventuell –« erwiderte sie, »einen Einsiedler auf einer kleinen Insel in der Südsee – vielleicht möchte er eines Tages Zweisiedler werden –«
    »Wenn Sie auf mich anspielen, möchte ich Sie herzlich einladen, Carol«, entgegnete der künftige Aussteiger und womögliche Einsteiger.
    »Angenommen«, antwortete Carol.
    Das wackelige Gefährt rüttelte die beiden durcheinander und Garella hielt seine Helferin fest. Die von den Umständen erzwungene Umarmung fühlte sie als kräftig und doch zärtlich.
    »Es ist zwar nicht gerade eine Gondelfahrt in Venedig«, sagte Carol lachend, »trotzdem nicht ganz ohne Reiz –«
    »Bangkok, Venedig des Ostens«, ging er auf ihren Ton ein. »Und den Belcanto macht der Verkehrslärm.«
    Der Gestank der Benzinwolken kopulierte mit dem appetitlichen Duft schmuddeliger Garküchen. Jeder zehnte Thai lebt in Bangkok, und die Hälfte von ihnen schien zu dieser Stunde unterwegs zu sein, bedrängt, bedrängend, eingehüllt in den Pesthauch technischen Fortschritts. Der einzelne verlor sich in der Masse, die Masse wälzte sich als vielköpfiges, kopfloses Ungeheuer über Gehsteige und Straßen. Es war die ideale Kulisse für zwei, die sich unsichtbar machen mußten. Eine massierte Ansammlung von Menschen, die tagsüber einander erdrückten und am Morgen jeweils wieder zum

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