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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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schon die Zeitung gelesen?« spielte Schlumpf auf die Strafanzeige eines Staatsbürgers an: Beim Sommerfest waren in Pullach 200 Gäste bewirtet worden, und zwar, wie behauptet wurde, mit erlesensten Speisen und Getränken, weshalb ein sparsamer Schwabe den BND-Präsidenten wegen Verschwendung von Steuergeldern verklagt hatte. Pullach mußte sich mit der blamablen Erklärung aus der Affäre ziehen, daß der ›Hummer eine Attrappe, der Rehrücken ein gewöhnlicher Rehbraten und der französische Champagner deutscher Sekt der billigsten Sorte‹ gewesen seien.
    »Ich werde mit Wallner sprechen und versuchen, ihn zurückzupfeifen«, verabschiedete Pallmann seinen engsten Mitarbeiter. »Und Sie schlafen sich jetzt erst mal aus.«
    Umgehend meldete sich der Leiter des hauseigenen Sicherungsdienstes bei seinem Auftraggeber. »Sie machen mir ganz schön Ärger«, begrüßte Pallmann den bärbeißigen Wallner.
    »Eine Rosskur, gewiß«, erwiderte der Leiter der Sicherungsgruppe. »Aber Sie haben sie schließlich selbst angeordnet, Herr Regierungsdirektor.«
    »Ich weiß«, erwiderte Pallmann. »Und Sie gehen ganz richtig nach dem Prinzip vor: ›Oderint dum metuant.‹« Der Mann mit dem Spitznamen Cicero beeilte sich, die Übersetzung gleich nachzuliefern. »›Mögen Sie hassen, wenn sie nur fürchten.‹«
    Die erbarmungslose Durchleuchtung, der Wallner leitende Beamte im Camp aussetzte, hatte das Betriebsklima erheblich verschlechtert. Man begann, die ins Zwielicht geratene Südostasienabteilung zu meiden wie eine Leprastation. Der Kriminalist nutzte seine Sondervollmachten zu einer offensichtlichen Schnüffelei aus: Telefonleitungen wurden angezapft und ungeniert im nachbarlichen Tratsch herumgewühlt. Wallners Spürhunde spähten die Schlafzimmer aus, die ehelichen und besonders die außerhäuslichen. Privatkonten bei den Banken wurden durchröntgt, der Aufwand nachgerechnet. Wie zu erwarten, häuften sich die Minuspunkte wie bei einem medizinischen Check-up die Befunde. Geheimdienstler sind auch Menschen, selbst wenn sie hohe Beamtenränge innehaben.
    »Ich kann Ihnen einen Zwischenbericht mit einigen Anhaltspunkten bieten«, schoß der Mann mit dem kurzgeschorenen Haar los. »Aber ich bin nicht in der Lage, einen bestimmten Mann Ihres Ressorts zu verdächtigen.«
    »Also alle«, polterte der Regierungsdirektor.
    »In gewisser Hinsicht …«, räumte Wallner ein. »Beginnen wir mit dem Regierungsrat Sanftleben: Vielleicht wissen Sie bereits, daß er eine ziemlich anspruchsvolle Freundin aushält. Wir ermitteln gerade, wieviel sie kostet und woher der Mann das Geld nimmt.«
    Pallmann nickte.
    »Aumer ist ein Gelegenheitstrinker und Friedmann ein Gelegenheitsspieler.« Ohne in die Unterlagen zu blicken, stellte der Kriminalrat fest: »Einmal Baden-Baden, zweimal Bad Neuenahr. Kleinere Beträge.«
    »Das ist ja wohl noch kein Beinbruch.«
    »Sicher nicht, aber es stellt sich die Frage, warum er so weit fährt und zum Beispiel nicht im nahen Bad Wiessee seiner Leidenschaft frönt.«
    »Weil er nicht gesehen werden will«, erwiderte Pallmann und lächelte. »Von Ihren Leuten, zum Beispiel.«
    Der sture Wallner ging nicht auf die Ironie ein. »Jetzt komme ich zu Weidekaff«, sagte er. »Das dürfte auch für Sie neu sein: Seine Frau hat ein Liebesverhältnis mit einem ziemlich undurchsichtigen französischen Geschäftsmann, der regelmäßig zwischen Paris und München hin- und herreist.«
    »Weidekaff weiß davon?«
    »Wenn er nicht kurzsichtig ist und naiv und …«
    »Wenn er naiv ist, hat er bei uns nichts zu suchen«, entgegnete Pallmann.
    »Untersuchungen sind noch im Gange. Ich habe Unterlagen über den französischen Pendler in Paris beim Deuxième Bureau angefordert.«
    »Das ist alles!« fragte der Vize von morgen, bestrebt, das Gespräch zu kappen.
    »Nicht ganz«, erwiderte der Kriminaldirektor. »Rauchalles«, sagte er. »Seine Frau stammt aus Plauen, also von drüben, und seine Schwägerin, die jüngere Schwester seiner Frau, ist gerade zum dritten Mal zu Besuch in München, obwohl die DDR bekanntlich Bürger unter sechzig nur in Ausnahmefällen ausreisen läßt. Ich hatte damals davor gewarnt, Rauchalles auf diesen Posten zu setzen.«
    »Dann können Sie den Außenminister ja auch gleich abberufen«, entgegnete Pallmann gereizt. »Er stammt schließlich auch von drüben wie Millionen anderer. Wollen Sie diese Leute alle zu Staatsbürgern zweiter Klasse degradieren?«
    »Natürlich nicht«, versetzte der

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