Die Stadt der Engel
Mann mit der direkten Ausdrucksweise. »Aber ein Sicherheitsrisiko sind sie. Denken Sie nur an den Fall Rotsch. Der Abteilungsleiter bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm wurde unter dem Verdacht verhaftet, die gesamten Pläne des Kampfflugzeuges Tornado an den Osten verraten zu haben. Manfred Rotsch war ein Dutzend Mal überprüft und seine DDR-Herkunft als Sicherheitsrisiko eingestuft worden. Ich möchte mir nur erlauben, daran zu erinnern.«
»Schön«, antwortete Pallmann. »Ich habe es zur Kenntnis genommen.«
»Und noch etwas.« Wallner kam zum Schluß. »Meine Arbeit ist nur eine halbe Sache, wenn wir nicht auch die Residentur in Bangkok durchleuchten. Wer sagt denn, daß der Maulwurf hier sitzt und nicht dort? Warum ist zum Beispiel Grawutke immer so gut informiert?«
»Wir werden uns auch Bangkok vorknöpfen«, verabschiedete Pallmann den unbeliebten Unentbehrlichen.
Den Namen Schlumpf und den zwei weiterer Beamter der Südostasienabteilung hatte der Kriminalist nicht erwähnt; es sprach für sie. Wenn aber der Maulwurf ein Gesinnungstäter war, dann galten Tugendholde als verdächtiger als Gelegenheitssünder. Pallmann sah zum Fenster hinaus; blicklos betrachtete er den Springbrunnen, der trübes Wasser versprudelte. Trüb war zur Zeit alles, das Wetter, die Stimmung und auch die Aussicht, den Verräter schnell zu entlarven.
In Langley würde es wohl kaum besser aussehen, aber das war nur ein billiger Trost.
Die mittägliche Hitze der Mammonopolis am Menam mit den Krebszellen der Armut war qualvoll. Unerträglicher Straßenlärm wurde noch vom Geheul der Polizeisirenen überlagert. Überraschend schnell rollten weitere Fahrzeuge der Crime Suppression Division durch die Surawong Road.
Paul Garella, im letzten Moment dem Mordanschlag entkommen, hatte Carols Fragen zurückgedrängt und sie gezwungen, sich seinem normalen Schritttempo anzupassen.
Es war ihnen gelungen, trotz des rasenden, nicht abreißenden Verkehrsstroms die Surawong Road zu überqueren und in die schmale Deja-Street einzubiegen. Der gejagte Jäger sondierte unauffällig und gründlich, er konnte keine Verfolger ausmachen.
Das kleine Café-Restaurant an der Ecke Silom Road war längst geöffnet, aber noch nicht von Gästen besucht.
In seinem Hauseingang wurde von einem Last-Tuk-Tuk Gemüse abgeladen. Garella lief auf den Fahrer zu. Er redete im ungewaschenen Straßen-Thai auf ihn ein. Überzeugender war ein Packen Baht-Scheine. Der Mann nickte und bestätigte mit den ausgestreckten Fingern seiner Hand, daß er in fünf Minuten soweit sei.
Der Drahtzieher der unsichtbaren Front ging noch einmal auf die Straße und tastete sie nach Verfolgern ab. Er hatte einen Blick für Schatten – aber die Täter waren sich wohl der Brisanz der in den ›Tercel‹ eingebauten Sprengladung sicher.
»Gehen Sie schon voraus«, forderte Garella seine Helferin auf. »Ich hol' Sie sofort wieder ab.«
Er schlüpfte in die Telefonzelle, wählte 221-9111, die Crime Suppression Division im Polizeihauptquartier an der Rama I Road 85. Er verlangte den Chef dieser hochspezialisierten Eliteabteilung innerhalb der Kriminalpolizei, und das war etwa so, wie wenn ein Unbekannter im Vatikan mit dem Papst telefonieren wollte. Der Spitzenagent beherrschte das arrogante Imperativ-Thai der Oberschicht, die seit Jahrhunderten das Land beherrschte. Man hielt den Anrufer für einen General oder zumindest für einen hohen Ministerialen, und so passierte er die Schleusen zweier Vorzimmer und erfuhr, daß sich der amtierende Chef Decha Vivikul im Einsatz befände und nur in ganz dringenden Fällen über das Telefon eines Streifenwagens zu erreichen sei.
Der Thai-Kenner schaffte es. »Phom Rawang!« meldete er sich. »Ich.. Vorsicht!« Zum ersten Mal seit Wochen sprach der Agent wieder mit seiner natürlichen Tonlage. »Nenn jetzt keinen Namen!« warnte er in Thai den Juristen. Er wartete die Bestätigung nicht ab. »Ich bin in Schwierigkeiten und brauche deine Hilfe, und zwar dringend.«
»Wo finde ich dich?« fragte Vivikul ohne Schaltpause.
»Wo wir uns immer zum Morgensport getroffen hatten – genau an dieser Stelle.«
»Alles klar«, erwiderte Bangkoks Kriminalfahnder Nr. 1. »Zwanzig Minuten.«
»Und erschrick nicht, wenn du mich siehst!« bereitete Garella den Angerufenen auf seinen Anblick vor.
Er ging zu Carol in das Restaurant zurück und stellte fest, daß sie noch immer die einzigen Gäste waren. Ein schläfriger Ober schenkte ihnen wenig Beachtung; das
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