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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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angepasste Anlage zog sich hinunter bis zum Strand. Als die Ankommenden die unterste Reihe erreichten, ertrank die Sonne glutrot gerade in den sanften Wellen des Indischen Ozeans. Der Sonnenuntergang, die Happy Hour, verzauberte das Meer und halbierte die Preise in den Bars.
    »Stopp!« sagte Ferry. Der Boy schloß die Tür ihrer Hütte auf, die nur zweihundert Meter vom Strand entfernt lag. Er bückte sich, zog Dany die Schuhe aus, schleuderte die eigenen von den Füßen; dann hob er seine Begleiterin hoch und trug sie über die Schwelle. Sie legte ihren Arm um seinen Hals, während ihr der Wikinger das Weekend-Asyl zeigte: Auf jeder Seite ein Schlafzimmer, in der Mitte Küche, Bar und Bad, eine herrliche Liebesfalle.
    »Welche Hälfte möchtest du haben?« fragte er. »Die linke oder die rechte?«
    »Beide«, erwiderte Dany.
    »Und ich?«
    »Du kannst sie jeweils mit mir teilen.« Sie hörte fast erschrocken den eigenen Worten nach, wie sie sie bisher noch zu keinem Mann gesagt hatte, und genoß dabei die Verblüffung Ferrys. Er setzte sie behutsam ab und zog sie an sich. Dany spürte, wie sich sein Verlangen auf sie übertrug, und sie merkte, daß er sich gewaltsam beherrschte, um nichts zu verderben, und sie genoß, daß es ihm schwer fiel.
    »Moment mal!« sagte sie, machte sich frei, ging in den linken Raum und schlüpfte in den Bikini. »Wir brauchen eine Abkühlung«, schlug sie vor, als sie zurückgekommen war.
    Dany sah aus wie Aphrodites jüngere Schwester, und Ferry betrachtete sie ebenso bewundernd wie begehrend, begreifend, daß Dany ihn dafür nicht zurechtwies, sondern goutierte, daß er sie anstarrte, wie er sie anstarrte: Es war für ihn neu und umwerfend.
    »Gefalle ich dir?« fragte sie kokett.
    »Und wie!« entgegnete Ferry.
    »Man sieht es«, erwiderte sie lachend.
    Sie hielten sich an den Händen, als sie durch das seichte Wasser des Indischen Ozeans wateten; es war warm und klar und endlos.
    »Weißt du was?« sprach Ferry viel zu laut. »Ich hab' dich lieb.« Er sprang kopfüber ins Wasser, tauchte unter, kam prustend wieder hoch.
    »Warum reißt du denn aus?« fragte Dany. »Ich mag dich auch.«
    »Das ist mir zu wenig«, versetzte er.
    »Wie ich dich kenne, wirst du schon etwas draus machen«, entgegnete Dany.
    Sie schwammen weit hinaus, getragen von den Wellen wie von ihren Gefühlen. Sie kraulten zurück, wateten an den Strand, hielten sich wieder an den Händen. Von der Bar her wehte zärtliche Musik, das Barbecue duftete verlockend. Die Dämmerung kam schnell und mit ihr das erste Mondlicht.
    »Hast du keinen Hunger?« fragte Dany und sah dem hochgewachsenen Wikinger in die blaugrauen Augen.
    »Wie ein Wolf«, erwiderte er. »Auf dich, Dany.«
    Sie wich nicht zurück. Sie empfand wieder das zwingende, bedrängende Gefühl, das sie im Happyland mitgerissen hatte, und auf einmal war der Mann an ihrer Seite Happyland, alles glückliches Land, glückliche Stunde, glückliche Gegenwart, glückliches Morgen. Sie hatten einander nicht gesucht und doch gefunden, zuerst Verstand und Lebensart; jetzt drängten ihre Körper unaufhaltsam aufeinander zu.
    Sie wußten beide, als sie die Hütte betraten, daß die letzte Sicherung durchgebrannt war und die Sehnsucht explodieren würde, ein Naturereignis, das sie in einem wilden Strom fortriss. Sie eroberten einander, liebten sich mit einem Atem. Seine Hände verwandelten ihre Haut in eine Gänsehaut. Sein Begehren wurde ihr Verlangen. Die Erfüllung riß sie in Stücke, und auf ihrem Boden staute sich schon wieder neue Sehnsucht.
    Sämtliche Zeitungen Bangkoks berichteten in ihrer Samstagsausgabe auf der ersten Seite in großer Aufmachung über den rätselhaften Bombenanschlag vor dem New Palace in der Surawong Road, dem nach Feststellung der Crime Suppression Division ein Mann und eine Frau zum Opfer gefallen waren. In den 68 Minuten, während sich die beiden im Hause aufgehalten hatten, war im Fond ihres Wagens, einem Toyota vom Typ Tercel, unter dem Rücksitz eine Höllenmaschine eingebaut worden. Der oder die Täter mußten dabei eine Nachbildung des Wagenschlüssels benutzt haben, was den Verdacht bestätigte, daß sie im persönlichen Bekanntenkreis der Opfer zu suchen waren.
    Die Bombe war so montiert worden, daß sie durch das Aufschließen des Wagens gezündet wurde, und zwar mit einer Verzögerung von etwa 20 bis 30 Sekunden. Die Identifizierung der Toten stieß auf große Schwierigkeiten, weil ihre Körper bei der Explosion förmlich

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